Frank Bowling – der Tanz der Farben durch das Licht

Frank Bowling beschrieb seine Malerei einst als Tanz der Farben [1]. Im Malprozess gießt, schüttet, träufelt er die Farbe auf die Leinwand, sie fließt und bewegt sich. Durch die Bewegung der Farbe entsteht das Bild. Die Farbe tanzt. 

„Die Bewegung steckt im Material. Die Farbe bewegt sich umher, verbreitet sich, mutet und kreiert ein eigenes Terrain auf der Oberfläche. Sie sitzt nicht still. Man sieht nicht die Spuren der Bewegung im fertigen Werk, aber ich beobachte die Farbbewegungen sehr genau, wenn die Leinwand auf dem Boden liegt.“ [2]

Installationsansicht
Wolfgang-Hahn-Preis 2022: Frank Bowling
Museum Ludwig, Köln
© Frank Bowling/VG Bild-Kunst Bonn, 2022
Courtesy: der Künstler und Hauser & Wirth
Foto: Saša Fuis

Der alljährlich vergebene Wolfgang-Hahn-Preis der Gesellschaft für moderne Kunst wird in diesem Jahr an den 1934 geborenen Künstler Frank Bowling vergeben. Die Präsentation zum Preis wird im Museum Ludwig in Köln bis zum 12. Februar 2023 zu sehen sein.

„Als ich 1966 nach New York kam, war ich entschlossen, die Figuration hinter mir zu lassen. Es war ein schleichender Prozess.“ [3]

Der Wolfgang Hahn Preis und die Entscheidung 


Die Juroren Zoé Whitley bewertet die Wahl Bowlings folgendermaßen: „Zu Frank Bowlings Gemälden und kunstkritischen Schriften lässt sich ohne Übertreibung sagen, dass sie die Möglichkeiten des Malens neu abgesteckt haben. Mit ihm wird eine entschlossene und einzigartig erfinderische Persönlichkeit in der Geschichte des abstrakten Malens gewürdigt. Bowlings Werk, das seine Lebenserfahrungen in Guyana, Großbritannien und den USA einschließt, hält Geschichten in Farbpigmenten, Wachs und Malgel fest. Er verfügt über ein unvergleichliches Gespür für Farbig- und Stofflichkeit. Bowling hält sich im Atelier an Regeln, die er selbst aufgestellt hat, und bricht sie dann doch – mit einer Reihe völlig neuer Regeln und Bestimmungsgrößen für die Bildebene. Er setzt eine komplexe gedankliche Operation auf der Leinwand um und antwortet mit ihr in stets dynamischer Weise auf eine lange Maltradition.“ [4]

In der Jury bestand aus Zoé Whitley, Direktorin der Chisenhale Gallery in London und den Vorstandsmitgliedern der Gesellschaft für Moderne Kunst – Mayen Beckmann (Vorstands-vorsitzende), Gabriele Bierbaum, Sabine DuMont Schütte, Yilmaz Dziewior (Direktor des Museum Ludwig), Jörg Engels (Schatzmeister) und Robert Müller-Grünow.

Frank Bowlings Rat ist es: „Probiere es aus. Probiere es an. Probiere, es besser zu machen.“ [5] Er will besser werden. Das treibt ihn an.

Frank Bowling
Flogging the Dead Donkey, 2020
Acryl und Acrylic Gel auf Leinwand mit Marouflage
102.5 x 185.5cm
© Frank Bowling/VG Bild-Kunst Bonn, 2022
Courtesy: der Künstler und Hauser & Wirth
Foto: Damian Griffiths

Der Künstler, der einst Dichter werden wollte

Am Anfang stand bei Frank Bowling das Wort. Er begann sich erst für Literatur und Lyrik zu interessieren. „… aber schließlich wurde mir klar, dass die Malerei mein Ding ist.“ [6] Dann kam er zu Selbstporträts, er begann bei sich und sich selbst zu malen.

Zunächst probierte er sich aus und ließ verschiedene Einflüsse zu, so entstand das Bild „Birthday“, das durch Francis Bacon inspiriert war. Schließlich fand er in den 1960er seinen Weg zur Farbe und stellte deren Erforschung in den Fokus seiner Malerei. Erst in New York, in das er 1966 emigriert, wendet er sich vollständig der Abstraktion zu. 

„Als ich arbeitete, folgte ich der Sonne, wie sie in mein Zimmer schien, und ich versuchte, mit der Farbe dorthin zu kommen, wohin die Schatten fielen. So kam ich zu diesen merkwürdigen Formen, und sie verwandelten sich in Landkarten – Guyana, Südamerika, Afrika und so weiter.“ [7]

Afroamerikanische Kunst ist immer unterrepräsentiert in der zeitgenössischen Kunstwelt. Es wurde ein Prozess in Gang gesetzt, der dies ändern soll. Die Debatten über Rassismus und Diskriminierung von Minderheiten in der Kunst sind in vollem Gange. Seinen Teil zu diesen Debatten trug Bowling seit den 1960er Jahren in London und New York bei. Heute gehört er mit seiner Kunst, die seine Lebenserfahrungen mit Farbe ausdrückt, und seinem umfangreichen Wissen über Kunst und dessen Geschichte zu den bewegenden Künstlern unserer Zeit. 

Bowling experimentiert mit Materialien, mit Farbe. So war sein erstes Landkartenbild (Map Paintings) auch ein Unfall, ein glücklicher, wie er sagt. 

„Als ich mir die Landschaft in Guyana ansah, erkannte ich, dass das Licht in meinen Bildern ein ganz anderes Licht ist. Ich sah einen kristallinen Dunst, vielleicht einen Ostwind und Wasser, das in den Himmel aufstieg. In meinen Fünfzigern fiel mir zum ersten Mal ein, dass es sich bei dem Licht um Guyana handelt. Es ist eine Konstante in meinen Bemühungen.“ [8] (Frank Bowling, 1992).

Diese Landschaften befreien Bowlings Malerei, denn nun ist er nicht gezwungen Kompositionen zu schaffen und alles im Bild aufeinander aufzubauen. Die Farbe ist freier und das Bild kann sich entwickeln. 

Installationsansicht
Wolfgang-Hahn-Preis 2022: Frank Bowling
Museum Ludwig, Köln
© Frank Bowling/VG Bild-Kunst Bonn, 2022
Courtesy: der Künstler und Hauser & Wirth
Foto: Saša Fuis

Des Künstlers Malerei 

Die Malerei des britischen Künstlers Frank Bowlings, eigentlich Sir Frank Bowling und eigenlicht Richard Sheridan Franklin Bowling, wird dem Abstrakten Expressionismus und der Farbfeldmalerei zugeordnet und gilt als einer der wichtigsten Künstler der britischen Schule des 20. und 21. Jahrhunderts. Geboren wurde Bowling jedoch nicht in Großbritannien, sondern 1936 in der ehemals britischen Kolonie British-Guayana, erst 1950 ging er von Südamerika nach England, genauer London. Und von London zog es ihn nach New York.

Frank Bowling lässt die Farben ihren Weg erkunden, sie fließen zu Rinnsalen oder gar Pfützen. Diese lässt er trocknen. Die verschiedenen Farben und Materialen fließen ineinander, reagieren miteinander und bilden abschließend das Werk. Die Leinwände bestehen nicht nur aus Farbe, Bowling setzt auf die Bilder auch kleinere gefundene Dinge wie zum Beispiel Bändchen, um Geschenke einzupacken. Für seine Kunst hat der Künstler daher einen Materialfundus, aus dem er schöpfen kann. 

Auf den Leinwänden sind Ränder angenäht, textile Materialien, die begrenzen und stabilisieren. Diese textilen Begrenzungen näht Bowlings Frau nun auf die Leinwände, da Bowling selbst körperlich eingeschränkter ist. Seine Farben sind nicht nur Öl- oder Acrylfarben, er verwendet auch Sprayfarbe wie sie für Graffiti verwendet wird. Auch fluoreszierende Farben finden Eingang in Bowlings Malerei. 

Bowling ist sich bewusst, dass Licht Emotionen beeinflusst. So folgt er dem Licht, den Farben und zugleich den Gefühlen. Seine Farbpalette ist reich und satt an Farbtönen, knallig, kräftig, weitreichend. Er schöpft aus allen Möglichkeiten, die ihm die Farben und das Licht bieten.

„Die Farbe trägt das Licht in sich. Das Licht geht von der Farbe selbst aus. Und wenn bestimmte Farben nebeneinanderstehen oder ineinanderlaufen, sieht man dieses besondere Licht, das die Farbe in sich trägt.“ [9]

Künstlerische Einflüsse

Einflüssen kann sich kein Künstler entziehen. Sie wirken in das Werk und dessen Charakter mit ein. 

Frank Bowlings Einflüsse liegen in der Kunst Englands, bei englischen Landschaftsmalern John Constable, William Turner und Thomas Gainsborough. Diese Einflüsse verbindet er mit Merkmalen und Aspekten des Abstrakten Expressionismus zu poetischen und auch dynamischen Farb- und Formenspielen. 

Bowling beschäftigte sich während seiner Studienjahre mit den alten Meistern. In New York angekommen fand er zur abstrakten Malerei und Einflüsse von Mark Rothko oder Barnett Newman werden deutlich. Und er setzte sich mit der Minimal Art und Künstlern wie Donald Judd oder Ad Reinhardt auseinander. Besonders beeinflusst wurde Bowling in New York durch die Begegnung mit Marcia Hafif und ihren Farbstudien.

Der Künstler damals und heute  

Bowling studierte zusammen mit David Hockney am Royal College of Art in London, er erhielt bei seinem Abschluss 1962 die Silbermedaille, Hockney erhielt Gold. Im gleichen Jahr zeigte die Grabowski Gallery in London seine erste Einzelausstellung „Image in Revolt“. Mitte der 1960er Jahre ging der Künstler dann nach New York und fand seinen künstlerischen Weg in der Abstraktion, unterstützt durch Clement Greenberg, der bekannte Kunstkritiker dieser Zeit. Später wurde Bowling für einige Jahre Redakteur des Arts Magazine. Schreiben war neben der Malerei seine Art des Ausdrucks und der Kommunikation. Er lebt und arbeitet heute in New York und London.

Expressive Farben, leuchtend, klar und stark, treffen auf Strukturen und verschiedene Texturen, die unterschiedliche Wirkungen erzeugen.

Er schreibt während des Malens auf, was er sieht und fühlt. Es ist wie eine Art Tagebuch, dass Bowling während des Schaffensprozesses begleitet. Bilder und Worte begleiteten ihn ein Leben lang. 

Abschließend

Es ist diese unglaubliche Lebendigkeit und Dynamik, die den Betrachtenden fesseln. Die Komposition der Farben sprechen für einen bildnerischen Scharfsinn und Bowlings Gefühl etwas mit Frauen und Formen auszudrücken und Atmosphäre zu schaffen. Es ist die Mischung aus Farbe, Komposition und Einsatz von Formen und Figuren, die eine ganz eigene Poesie erzeugen. 

In Deutschland ist Frank Bowling unbekannt. Durch den Ankauf der Arbeit „Flogging the dead donkey“ erhält das Museum Ludwig als erste deutsche öffentliche Sammlung eine Arbeit des Künstlers. Sein Werk ist vielschichtig und signifikant. Unter und hinter den Farbflächen verbergen sich Geheimnisse, die es zu enthüllen gilt. Es sind stimmungsvolle Kompositionen und Farbverläufe, die Bowlings Werk erzählen. 

Die Farben reflektieren das Licht, sie sind bunt und intensiv. Und sie haben ihre eigene Dynamik, die durch Bowling frei entfaltet wird. Wie er selbst sagt, sind die Möglichkeiten der Farbe unendlich. [10] Er lässt die Farben tanzen.

„Beim Betrachten einer Farbe geht es um die Suche nach Licht.“ [11]

Der Künstler, der einst Dichter mit dem Wort werden wollte, wurde zum Dichter mit der Farbe und dem Licht. 

 [1] Frank Bowling, Interview von Hans Pietsch, Art Magazin 11/22, S. 85.

[2] Frank Bowling, Interview von Hans Pietsch, Art Magazin 11/22, S. 85/88.

[3] Frank Bowling, Kothenschulte, Daniel: „Porträt: Frank Bowling – Die Alchemie der Farben“, Monopol Magazin 11/22, S. 77.

[4] Zoé Whitley in Pressemitteilung zum Wolfgang-Hahn-Preis 2022.

[5]Frank Bowling, „Trying it out. Trying it on. Trying to do it better.“, Wolfgang-Hahn-Preis Publikation, Gesellschaft für Moderne Kunst, S. 36.

[6] Frank Bowling, „Trying it out. Trying it on. Trying to do it better.“, Wolfgang-Hahn-Preis Publikation, Gesellschaft für Moderne Kunst, S. 23.

[7] Frank Bowling, Interview von Hans Pietsch, Art Magazin 11/22, S. 77 &  S. 80.

[8] Frank Bowling, https://artinwords.de/frank-bowling/

[9] Frank Bowling, „Trying it out. Trying it on. Trying to do it better.“, Wolfgang-Hahn-Preis Publikation, Gesellschaft für Moderne Kunst, S. 25.

[10] Frank Bowling, „Trying it out. Trying it on. Trying to do it better.“, Wolfgang-Hahn-Preis Publikation, Gesellschaft für Moderne Kunst, S. 7.

 [11] Frank Bowling, „Trying it out. Trying it on. Trying to do it better.“, Wolfgang-Hahn-Preis Publikation, Gesellschaft für Moderne Kunst, S. 25.

Porträt Sir Frank Bowling, 2020,
© Frank Bowling/VG Bild-Kunst Bonn, 2022
Courtesy: der Künstler und Hauser & Wirth
Foto: Sacha Bowling

Published by