Mapping the collection

Mapping the Collection: Kunst ohne „Schwarz und Weiß“, ohne „politisch oder unpolitisch“ und ohne „homogen gegen heterogen“

Die 1960er und 1970er Jahre waren in der Kunstgeschichte der USA zwei entscheidende Jahrzehnte. Aber auch politisch und gesellschaftlich gab es einige Umbrüche, Ereignisse und wichtige Schritte zum Umdenken hin. 

Die Sammlung des Museum Ludwigs beherbergt wichtige und wegweisende Werke dieser Zeit. Hierbei und in der gesamten Kunstgeschichte ist jedoch der Fokus oft auf „weiße männliche Kunst“ gerichtet. Positionen von Künstlerinnen oder queeren, indigenen Künstlern und artists of color gehen oft bei Ausstellungen unter oder sind nur am Rande sichtbar. Mapping the collection zeigt nun vom XY bis zum XY Werke amerikanischer Künstler aus der Sammlung zusammen mit Arbeiten unterrepräsentierter Künstlergruppen außerhalb der Sammlung. So soll ein neuer Blick auf die beiden US-amerikanischen Jahrzehnte geworfen und neue Perspektiven geschaffen werden. 

Für Mapping the collection lotet die Kuratorin Janice Mitchell die Sammlung des Museums aus und bewertet diese neu. Wo sind die Lücken in der Sammlung, was fehlt, was bzw. wer ist unterrepräsentiert? Und wie kann man diese Lücken füllen?

Pirkle Jones
Kathleen Cleaver und Black Panthers (Befreit-Huey-
Kundgebung, Bobby Hutton Memorial Park, Oakland,
CA, 22.9.1968, aus: Black Panther), 1968–1969
Schenkung Pirkle Jones Foundation
© Regents of the University of California
Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv Köln
Mapping the collection

Bekannte Künstler der Sammlung wie Andy Warhol oder Donald Judd treffen auf weniger bekannte Künstler der Sammlung wie David Wojnarowicz. Letztlich abgerundet wird die Ausstellung durch die Präsentation von Leihgaben von unter anderem Senga Nengudi, Adrian Piper oder T.C. Cannon (Kiowa/Caddo). In der Ausstellung werden dabei die verschiednen künstlerischen Positionen in den Dialog nebeneinander präsentiert.

In der Kunstgeschichte ist Vielfalt eigentlich gewünscht, jedoch oft nicht präsentiert. Unsere Gesellschaft jedoch ist vielfältig wie die Kunst selbst, da sollte keine weiße männliche Kunst vorherrschen. Nicht mehr. Das ist nicht zeitgemäß, war es auch nie aus Sicht von Minderheiten. Diskriminierungen sollen aus unserer Welt entfernt werden, das ist eine enorme Herausforderung und hat auch viel mit den Machtverhältnissen zu tun. 

 

Corita Kent (Sister Corita) News of the week, 1969 Museum Ludwig © 2020 Estate of Corita Kent/ Immaculate Heart Community/ Licensed by Artists Rights Society (ARS), New York Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv Köln
Corita Kent (Sister Corita)
News of the week, 1969
Museum Ludwig
© 2020 Estate of Corita Kent/ Immaculate Heart
Community/ Licensed by Artists Rights Society (ARS),
New York
Reproduktion: Rheinisches Bildarchiv Köln

 

In der Ausstellung spielen die politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen und Ereignisse der 1960er und 1970er eine entscheidende Rolle. Die Bürgerrechtsbewegung, Martin Luther King als wortführende Persönlichkeit der Bürgerrechtsbewegung oder der Vietnamkrieg und die Aktivistenbewegungen dagegen sind als wichtige Persönlichkeiten und Ereignisse in unserem Gedächtnis verankert. Das sind jedoch die großen Namen und Ereignisse dieser beiden Jahrzehnte, Nebenschauplätze und kleinere Aktivistengruppen wie die Brown Berets, die Aktivisten des American Indian Movement oder die Anfänge der Gay Liberation blieben unbekannt. Und auch die amerikanische Kunst befasst sich mit diesen Themen, jedoch sind Assoziationen mit Andy Warhol oder Robert Rauschenberg vorherrschend. Dabei darf aber nicht vergessen werden, dass auch afroamerikanische, lateinamerikanische, indigene oder queere Künstlerinnen und Künstler sich mit diesen Themen, die auch sie bzw. gerade sie betreffen. Vor diesem Hintergrund betrachtet Mapping the collection die amerikanische Kunstgeschichte und bewertet sie neu, aus neuen Perspektiven, aus der Sicht der Diversität mit kritischem Akzent. Hätte sich der Blick auf die Kunstgeschichte anders entwickelt, hätten wir vorher schon neue, andere, vielfältigere Positionen mit betrachtet? Wäre dann die Kunstgeschichte nicht nur männlich und weiß geprägt?

 Installationsansicht Mapping the Collection Museum Ludwig, Kцln 2020 Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Nina Siefke
Installationsansicht Mapping the Collection
Museum Ludwig, Kцln 2020
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Nina Siefke

 

die Geschichte der USA und Diversität

Die 1960er und 1970er der USA sind geschichtlich geprägt von Aktionismus, Widerstände, Bewegungen gegen Rassismus und Diskriminierung, Proteste gegen Krieg, Menschen, die sich gegen Unrecht wehrten.

Auch die Perspektive der Frau und deren Emanzipation wird in Mapping the collection betrachtet. Frauen werden seit jeher diskriminiert und in Rollenklischees gedrückt. Kunst von Künstlerinnen jedweder Herkunft erlangte nie die gleiche Bedeutung wie der männlichen Kollegen, dies ist bis heute noch eine große gesellschaftliche Herausforderung, die überwunden werden sollte. 

Im Jahr 1819 wurde in den USA die Sklaverei verboten, doch mit diesem Edikt waren die Südstaaten nicht einverstanden und es kam zu einem Bürgerkrieg zwischen Nord und Süd. Dieser endete 1865 mit einem Sieg für die Nordstaaten, worauf die Verfassung um den 13. Zusatzartikel ergänzt wurde und die Sklaverei verbot. Doch bis heute werden Schwarze in den USA diskriminiert, immer wieder kämpften sie für ihre Bürgerrechte und eine gerechte gesellschaftliche, politische und persönliche Behandlung. Bis heute ist das Thema nicht abgeschlossen. 

Und auch die indigene Bevölkerung muss sich mit Rassismus und Diskriminierung seit der Entdeckung Amerikas durch die Engländer und deren Besiedlung auseinandersetzen. Auch sie kämpfen seit Jahrhunderten gegen die systematische Unterdrückung ihrer verschiedenen Stämme. 

Die queere Bevölkerung, Schwule, Lesben, Transgender, auch sie mussten und müssen sich durchsetzen, sich behaupten gegen Heterosexuelle, gegen Gesetze, die sie und ihre Sexualität unterdrücken, gegen Diskriminierung und Ausgrenzung. Dabei ist ein Mensch ein Mensch, unabhängig von seiner Herkunft, seiner Sexualität, seinem Glauben.

Installationsansicht Mapping the Collection Museum Ludwig, Kцln 2020 Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Nina Siefke
Installationsansicht Mapping the Collection
Museum Ludwig, Kцln 2020
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Nina Siefke
Ana Mendieta Ohne Titel (Facial Hair Transplants), 1972 (1997) Museum Ludwig © VG Bild-Kunst, Bonn 2020 Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Sabrina Walz
Ana Mendieta
Ohne Titel (Facial Hair Transplants), 1972 (1997)
Museum Ludwig
© VG Bild-Kunst, Bonn 2020
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Sabrina Walz

 

Museen und Vermittlung von politischen und gesellschaftlichen Entwicklungen

Museen stehen in der Pflicht aufzuklären, Informationen zu vermitteln und Werte zu transportieren. Kunst ist ein wertvolles Gut, dass die ganze Gesellschaft repräsentieren sollte. Daher ist die Ausstellung Mapping the collection heute wichtiger denn je, um Wege zur Gleichstellung aller Menschen aufzuzeigen. 

Ziel ist es zu zeigen, dass Kunst nicht nur von männlichen Weißen geschaffen werden kann, Kunst ist nicht begrenzt. Eine kunstgeschichtliche Lücke, nicht nur in der Sammlung des Museum Ludwigs, wird aufgezeigt. Es wird gezeigt, wie Künstler und Künstlerinnen, auch die einer ethnischen Minderheit, mit den verschiedenen Herausforderungen durch die Gesellschaft, durch Diskriminierung, durch die Herkunft oder aufgrund des Geschlechts umgehen und sich stellen müssen. Kunst sollte stets auch im Kontext, in dem sie entstand, betrachtet werden. Welche politische Situation beeinflusste das Kunstschaffen? Oder welche sozialen Hürden mussten die Künstler und Künstlerinnen während des Schaffensprozesses nehmen? So kann ein neuer Diskurs entstehen und der Respekt und die Würdigung von Differenzen ermöglicht werden. 

Installationsansicht Mapping the Collection Museum Ludwig, Kцln 2020 Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Nina Siefke
Installationsansicht Mapping the Collection
Museum Ludwig, Kцln 2020
Foto: Rheinisches Bildarchiv Köln / Nina Siefke
Die Ausstellung und verschiedene Perspektiven

In Mapping the collection entsteht ein Dialog und auch eine neue Diskussion zwischen bekannten und nicht bekannten Künstlern, die sich mit gesellschaftlichen, sozialen und politischen Themen auseinandersetzen. Gezeigt werden, Gott sei Dank, nicht nur laute, strake und plakative Werke, auch unaufgeregte, subtile, fragende und ruhige Arbeiten, die gegen Ungerechtigkeit protestieren finden sich wieder. Die Unterdrückung von Minderheiten und deren Kampf gegen die Diskriminierungen sind Themen, die sich nicht nur durch die Geschichte der USA ziehen. Es sind Problemstellungen fast aller Länder unserer Erde, und sie sind hochaktuell. Mapping the collection ist eine Ausstellung, die unsere gesellschaftliche und soziale Vielfalt aufzeigt, die Diversität zum Thema macht. Es ist das kursorische Sichtbarmachen der Unterschiede und Gemeinsamkeiten der verschiedenen Ethnien unserer Welt. In dieser Zeit ist das nötiger als wir denken mögen. Denn zufällig oder nicht, ist diese Ausstellung aktueller denn je.  „I can’t breathe“, hört man die Tänzerin Yvonne Rainer sagen in Adam Pendletons Videoarbeit Gerade zurück aus Los Angeles aus dem Jahr 2016. Es wird nicht nur ein Diskurs über vergessene kunstgeschichtliche Entwicklungen und Positionen angeregt, nein, auch heutige politische, soziale und gesellschaftliche Ungerechtigkeiten in den Fokus gerückt. Denn leider ist das immer noch nötig. Und immer noch ist die USA gespalten, doch die Probleme können auch auf die anderen Länder unserer Welt übertragen werden.

Es werden Fragen aufgeworfen. Die Sammlung steht auf dem Prüfstand, Kunst steht auf dem Prüfstand. Und letztlich sind es die Reflexionen über unser eigenes Denken und Verhalten.

Adam Pendleton Filmstill aus Just back from Los Angeles: A Portrait of Yvonne Rainer, 2016–2017 © und courtesy Adam Pendleton
Adam Pendleton
Filmstill aus Just back from Los Angeles: A Portrait of
Yvonne Rainer, 2016–2017
© und courtesy Adam Pendleton
Zukunft

Rassismus, Sexismus und Diskriminierung sind große Probleme unserer Gesellschaft, mit der wir nicht nur in der Vergangenheit zu kämpfen hatten, es sind immer noch baufällige Häuser, die wir abreißen müssen. Und ein jeder ist dazu verpflichtet, neue und schöne Häuser, die nicht einstürzen sollen, zu bauen. Als Fundament dient Menschlichkeit, Solidarität und Nächstenliebe.

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