Zunge und Farbe ergeben kunstvolles Lecken – Benjamin Houlihan in der Ausstellung „In aller Munde“

Pinkfarbene kommaförmige Formen, die wie lauter aneinander geschmiegte Rosenblätter  anmuten, auf weißem Untergrund, sind derzeit im Kunstmuseum Wolfsburg zu sehen. Doch die scheinbaren Rosenblüten sind nicht das, was sie zu sein scheinen.  

In der Gruppenausstellung „In aller Munde“ im Kunstmuseum Wolfsburg gestaltet Benjamin Houlihan eine 30qm große weiße Wand nur mit seiner Zunge. Er leckte mit eingefärbtem Quark die Zungenabschnitte auf den Untergrund. So entstand „Untitled (Licked Wall)“.

In der Thomas Rehbein Galerie in Köln gibt es weitere geleckte Kunstwerke von Houlihan, Zeichnungen und Leinwände und gelecktes Porzellan, Vase und Teller, in Zusammenarbeit mit der Manufaktur Fürstenberg.  

Benjamin Houlihan
Exhibition view, 2020
Thomas Rehbein Galerie
Leckbild auf Leinwand und Leckzeichnung

Die Ausstellung

Die Ausstellung beschäftigt sich mit allem, was mit dem Mund und dem Mundinneren zu tun hat, lecken, sprechen, essen, beißen, spuken. Es geht um das Orale, alles was damit zu tun hat. 

„Das Besondere an der Ausstellung ist einfach, sich einmal vor Augen zu führen, was eigentlich die Bedeutung des Mundes ist, wenn man alle Funktionen, die er hat, zusammenführt.“

Wie geht die Kunst mit Mundhandwerk und künstlerischen mündlichen Techniken um? Und was kommt dabei heraus, wenn man für Kunstwerke den Mund verwendet anstelle der Hand? Dabei ist Benjamin Houlihan mit prominenter Begleitung dabei. Pieter Bruegel, Andy Warhol, Cindy Sherman, Pablo Picasso und Man Ray sind nur einige der gezeigten Künstler in der von Uta Ruhrkamp kuratierten Ausstellung. „. Und schließlich ist die Ästhetik der Lippen, gesteigert im Kuss und der oralen Libido ein Sujet, mit dem sich Wolfgang Tillmans, Natalia LL, Picasso, Marilyn Minter und viele andere in der Schau beschäftigen.“, heißt es im Pressetext des Museum. Houlihan führt diese Aussage noch weiter, bei ihm sind es nicht die Lippen als Ausdruck der Erotik oder der Libido, hier ist es die Zunge. Und die Zunge ist es, die noch tiefer sexuell konnotiert ist, als die Lippen, die eher sinnlich verstanden werden. Doch die Zunge kann auch vulgär und direkt sexuell sein. Doch ist es Houlihans Anspielung auf etwas Sexuelles?    

Benjamin Houlihan
Untitled (Leckzeichnung 01), 2018
Kasein, Lebensmittelfarbe
50 x 70 cm

Lecken und mit der Zunge erkunden

Das Lecken deutet nicht nur etwas Sexuelles an, die Zunge ist auch wichtig beim Sprechen, Schmecken, der sinnlichen Welterfahrung.

Kinder beginnen die Welt mit Mund und Zunge zu erkunden. So fühlen sie wie etwas geschaffen ist. So ist die Zunge von Anbeginn des Menschen eine sinnliche Erfahrung und Erkundung der Welt. Und ohne Zunge kann der Mensch nicht sprechen, sich nicht verbal mitteilen. 

Die geleckte Wand und die gelockten Zeichnungen vermitteln Intimität. Sie sind das Bindeglied zwischen Künstler und Betrachter. Es ist Nähe und Distanz zugleich. 

Die pinke Farbe und die Form sind wahrscheinlich die Gründe, dass die Zungenabdrücke auf den ersten Blick wie Rosenblätter erscheinen. Der Farbauftrag auf den Untergrund ist mal dunkel und satt farbig und mal abgeschwächter, dann erscheint nur ein leichtes rosa. Es ist wie mit einem Pinsel, zu Anfang ist er satt getränkt mit Farbe und mit jedem Pinselstrich wird es weniger Farbe. Die Zunge verhält sich hier ähnlich. 

In aller Munde

Die Malerei mit dem Medium der Zunge ist zart, sanft, liebevoll und intim. Ähnlich eines Kusses und so darf es auch zarte Rosenblätter, die für die Liebe stehen, anmuten.

In aller Munde ist sprichwörtlich das Gesprächsthema Nr. 1 und so ist auch die Ausstellung in aller Munde.

Published by