Installation "Mountains of Encounter" von Hague Yang

Haegue Yang „Mountains of Encounter (Berge der Begegnungen)“, 2008

Es ist die Geschichte einer besonderen Begegnung, einem Zusammentreffen, das in der Geschichte Koreas noch lange Zeit nachwirkte. Eingebettet in roten Jalousien und bestrahlt mit Scheinwerferlicht, erzählt die raumeinnehmende Installation „Mountains of Encounter“ (ausgestellt im Museum Ludwig in Köln) von zwei Menschen, die sich einst trafen und unterhielten. 

Die koreanische Künstlerin Haegue Yang nimmt mit dem Kunstwerk Bezug auf das historische Ereignis des Interviews der Journalistin Helen Foster Snow mit Kim San. Es stellt die „… Begegnung des koreanischen Unabhängigkeitskämpfers Kim San und der US-amerikanischen Journalistin Nym Wales (alias Helen Foster Snow) am 7. Juli 1937 in der chinesischen Bergregion Yan’an.“ [1] dar.

   

Die Geschichte hinter diesem Werk

Kim San, von ihm ein selbst erfundener Name, kämpfte für die Freiheit Koreas und Japans und wurde später als Verräter denunziert und hingerichtet. Er war koreanischer Kommunist und arbeitete hauptsächlich von China aus, da in Korea der Aktivismus so gut wie unmöglich war. Helen Foster Snow veröffentlichte die Biografie des Freiheitskämpfers 1941 unter dem Titel “Song of Airan. A Korean Communist in the Chinese Revolution.”

 

„This fateful encounter thus led to a book that spared Kim San’s story from being forgotten. Both were foreigners in China, both belonged to a minority: he as a Korean communist, she as an emancipated, American journalist and writer.“[2]

 

Hague Yang "Mountains of Encounter"
Hague Yang „Mountains of Encounter“
Installation
Museum Ludwig

Helen Foster Snow arbeitete lange auf ein Treffen mit Kim San hin, für ihn war es eine gefährliche Angelegenheit. Doch mit einem zweiten Brief konnte sie ihn überzeugen. Zunächst sollte es auch nur ein kurzes Interview werden, doch aus diesem Vorhaben wurden 22 Gespräche über zwei Monate. Und das Ergebnis war eine Biografie Kim Sand. Und aufgrund dieser Biografie wurde er zum Symbol für alle namenlosen koreanischen Freiheitskämpfer. 

 

„Ich und mit mir viele Koreaner kennen Kim San nur durch das Buch von Nym Wales, es wurde ein Akt der Geschichtsschreibung. Es ging mir in der Arbeit darum, wie die beiden Personen sich gegenseitig beleuchten“. [3]

 

Die Installation beleuchtet die Vergangenheit und wie diese auf die Gegenwart wirkte. Yang nahm hier ein reales Ereignis und transformierte es in eine abstrakte Ausdrucksform. Sie reduzierte und nutzte nur wesentliche Elemente, die für ihr Narrativ entscheidend waren.   „Mountains of Encounter“ „Mountains of Encounter“ist eine Installation, die den ganzen Raum beansprucht und auf die Sinne des Betrachtenden einwirkt. Rote Jalousien aus Aluminium, die von der Decke hängend in verschiedenen Höhen angebracht wurden, und Scheinwerfer, die Lichtkegel über die Wände werfen und so Schattenspiele erzeugen, verbinden sich zu einer Gesamtkomposition aus schummrig und hell, ruhig und irgendwie poetisch atmosphärisch. Die einzelnen Elemente der Arbeit sind erkennbar, jedoch die Installation im Gesamten zunächst nicht greifbar durch die Abstraktion der Gegenstände.

 

„Die Beziehung zwischen Objekt und Licht hat etwas Tragisches. Während das Licht ein Objekt beleuchtet, gerät die Lichtquelle in Vergessenheit.“ [4]

 

Das Werk kann an einen sonnenbeschienen Berg, aber auch an ein Gelände mit Gebäuden erinnern, das überwacht wird. Es hat somit zugleich etwas Positives und Beängstigendes. Es ist beseelt und einschüchternd gleichermaßen.  Kim San und Helen Foster treffen sich an einem Morgen, die Sonne ist über den Bergen gerade aufgegangen und noch leicht rötliches Licht reflektiert von den Berghängen. Oder die Sonne ist gerade untergegangen und der Mond steht bereits am Himmel. Es ist gefährlich, beide dürfen nicht entdeckt werden bei ihrem Gespräch. So oder so ähnlich kann die Szenerie und Situation assoziiert werden beim betrachten des Kunstwerks von Haegue Yang. Die Begegnung, die die Leben beider Protagonisten vor dieser Kulisse verändert.   

 

Das Werk, sein Narrativ und seine Bedeutung

Haegue Yang nutzt ein Narrativ, die Geschichte des Interviews, die Geschichte Koreas. Doch gleichzeitig möchte sie keine Geschichte erzählen und einfach ein Werk schaffen, das Assoziationen freisetzt.

 

„Damals habe sie das Verhältnis von Narration und Nicht-Narration beschäftigt, sie „wollte eigentlich keine Geschichte mehr erzählen“, doch zugleich „die Geschichtenerzählung als Möglichkeit nicht ganz aufgeben“, erklärt Yang in einer für ihr Denken typischen Paradoxie.“ [5]

 

Durch die hintenangestellte Geschichte hat die Arbeit auch etwas Biografisches. Es geht um die Heimat der Künstlerin und einen wichtigen Charakter der Geschichtsschreibung für Korea. Yang bewegt sich zwischen den Kulturen hin und her, koreanische und europäische Einflüsse spiegeln sich in ihrer Kunst wieder. Die Vielfalt ihrer künstlerischen Mittel, die aus diesen verschiedenen Lebensstationen und Einwirkungen resultieren, zeigen sich deutlich in ihrem Schaffen.  

 

Yangs weiteren Kunstwerke

Die Installationen der Künstlerin bewegen sich zwischen Konzeptualität und ausgeklügelten und komplexen Kompositionen, die sinnlich und kognitiv erfahrbar sind. Alltagsgegenstände werden in einen neuen Kontext gesetzt und erhalten andere Funktionen. Sie abstrahiert die Gegenstände und führt sie einer neuen Bedeutungsebene zu. Dabei verbindet sie die Geschichte mit der Gegenwart.  Yang interessiert sich für erzählerische Momente, Formalitäten und die Idee, die hinter allem steht. Diese Elemente verbindet sie zu aus mehreren Ebenen bestehenden Kunstwerken, die zur Reflexion anregen und auch naturverbundenen Assoziationen frei setzen.   

 

Die Bedeutung der Jalousien 

Ordnungssysteme, alltägliche Dinge, die in Serie produziert werden, verwendet Yang als Materialien für die oftmals großen und einnehmenden Kompositionen. Die integrierten Gegenstände funktioniert sie um und setzt sie in einen neuen Kontext. Ein häufig von Yang genutzter Alltagsgegenstand ist dabei die Jalousie. Sie wird ihrer Aufgabe, dem Verdunkeln am Fenster, enthoben, behält aber den Grundgedanken, des sich Abschirmens und Isolierens bei.  Die Werke mit Jalousien gehören zur Yangs Kernarbeiten. Sie ziehen sich durch ihr Schaffen wie ein roter Faden. In ihrer allumfassenden Weise setzte sie diese bei „Mountains of Encounter“ das erste Mal ein. Yang sagte selbst dazu:

„Ich habe verstanden, dass die Jalousie eine Metapher für die Beziehung des Ich mit dem anderen, des Subjekts mit der Welt sein kann. Wie gehen Licht, Geruch oder Wind hindurch, wie weit öffnet oder schließt man sie, dadurch artikuliert sich etwas.“ [6]

 

Hier erwecken einerseits die Jalousien Assoziationen mit Bergwelten, die sich vor einem auftun, eine weitläufige Landschaft im Licht der untergehenden Sonne. Daneben isolieren sie aber auch und können mit einem Gefängnis gleichgesetzt werden. Die Lichtkegel erinnern an Suchscheinwerfer in Gefängnissen, haben somit etwas Drohendes und Beängstigendes. Sie könnten aber auch der Mond oder die untergehende Sonne sein, die die Berge bescheinen, etwas Natürliches, das uns tagtäglich umgibt. Insgesamt ist die Installation aber durch die Lichtkegel in eine düstere und beängstigende Atmosphäre getaucht.  

 

Hague Yang und der Gegensatz

„Meine Kunst mag aufgrund ihrer Vielfältigkeit, aufgrund der Zerstreutheit meiner Interessen begrifflich schwer zu fassen sein.“ [7]

 

Die Arbeit zeugt von einer Ambivalenz. Die Lichtkegel können zwei verschiedene Assoziationen hervorrufen. Die Jalousien sind in gefahrendeutendem Rot gehalten und könnten mit Gefängnis assoziiert werden. Aber auch Berge, die mit der aufgehenden Sonne in rot getaucht sind, könnten es sein. Die Jalousien wirken befreienden, aber auch eingrenzend. Der Raum ist offen, aber gleichzeitig geschlossen. Die Gegenstände sind so geprägt von Gegensätzen und können ambivalente Gefühle beim betrachten hervorrufen.   

Hague Yang "Mountains of Encounter"
Hague Yang „Mountains of Encounter“
Installation
Museum Ludwig

 

Abschließende Worte

„Mir ist klar, ich stehe für etwas, ob ich will oder nicht, aber das ist nichts Koreanisches, noch nicht einmal Asiatisches, vielleicht auch nicht unbedingt Europäisches. Ich glaube, ich bin auf dem Weg, etwas Hybrides zu werden.“ [8]

 

Die Arbeiten Yangs sind reduziert und abstrahiert. Ihre Gedanken und das Konzept, das den Werken zugrunde liegt, muss nicht sofort erschlossen werden. Es ist auch in Ordnung, es einfach nicht zu verstehen. Die Wirkung und die Atmosphäre, die die Installationen umgeben, sind bereits lohnenswert zu erfahren. Und Kunst muss nicht immer verstanden werden, muss nicht immer etwas auslösen. Die Schönheit, Ästhetik, Wirkung, Sensualität sind ausreichend.   

Manchmal gilt einfach, auch oder vielleicht besonders in der Kunstwelt: Alles kann, nichts muss.      

 

 

 

[1] Website Museum Ludwig 

[2] Heike Behm: http://www.heikejung.de/Yang_2008_Behm.pdf

[3] Haegue Yang https://www.weltkunst.de/ausstellungen/2018/06/haegue-yang-im-dschungel-des-ich

[4] Haegue Yang, Museum Ludwig Website 

[5] https://www.weltkunst.de/ausstellungen/2018/06/haegue-yang-im-dschungel-des-ich

[6] Haegue Yang https://www.weltkunst.de/ausstellungen/2018/06/haegue-yang-im-dschungel-des-ich

[7] Haegue Yang https://www.weltkunst.de/ausstellungen/2018/06/haegue-yang-im-dschungel-des-ich

[8] Haegue Yang https://www.weltkunst.de/ausstellungen/2018/06/haegue-yang-im-dschungel-des-ich

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