Eine Rezension: The Journey – New Positions in African Photography

„The Journey –  New Positions in African Photography “ beleuchtet auf 342 Seiten die heutige afrikanische Fotografie anhand von 17 Positionen junger Fotografen aus Afrika. Textlich begleitet werden die bildlichen Inhalte durch 13 Aufsätze junger Autoren, die extra hierzu gesucht wurden. Die Fotografen und Fotografinnen zeigen einen bildlichen Querschnitt aus ganz Afrika: Äthiopien, der Demokratischen Republik Kongo, Elfenbeinküste, Ghana, Kenia, Mosambik, Nigeria, Südafrika und dem Sudan.

Die fotografische Leidenschaft und Energie sind deutlich spürbar und beinhalten vielfältige Praktiken. Aber auch Ehrlichkeit und Desillusion wirken in den Bildern mit. Neue Bildwelten eröffnen sich durch die Begeisterung und die Möglichkeiten für und mit der Fotografie im heutigen Afrika. Alle 17 Künstler*innen absolvierten die „Photographer’s Masterclass“, ein Mentorenprogramm von 2008 bis 2018 des Kurators Simon Njami, der auch „The Journey“ als Buch, als Ergebnis, zum Ende der Masterclass, herausgab. Auch das Goethe Institut war an dem Programm beteiligt und unterstütze es. Theorie und Praxis der Fotografie wurden in der Masterclass vertieft und ausgereift, so dass sich die 17 Künstler weiterentwickelten. „But what does it mean to be a self-taught photographer on a continent with so few photography schools?“[1]

Das Buch gewährt durch die Fotografien einen einfühlsamen, gar intimen, Blick auf das Leben in Afrika und die Menschen dort. Es sind 17 verschiedene Positionen, 17 verschiedene Sichtweisen, Stile, Arbeitsweisen und Formate. Alle werden sie verbunden durch die Photographer’s Masterclass. Es mündete in diesem Buch als Ergebnis, das Präsentation und Dokumentation des Lebens in Afrika zugleich ist.

Die Protagonisten der Fotografien zeigen dem Betrachter ihre Heimat, ihr Zuhause, das Leben aus einer Perspektive, die zugleich nachdenklich, aber auch lebensfreundlich wirkt. Sie kennen ihre Heimat, sie haben keine Distanz zu ihr, sie können wirklich hinter den Vorhang aus kulturellen Differenzen blicken und sehen, was das europäische Auge nicht zu sehen vermag. 

In Europa ist afrikanische Fotografie noch etwas Neues, Unbekanntes. Fotografie im Allgemeinen als künstlerisches Medium fand seinen Weg in die Kulturgeschichte erst im 20. Jahrhundert, ist also generell ein neuer Weg des künstlerischen Ausdrucks. Und in Afrika noch etwas unbekannter und neuer. Für die afrikanische Fotografie war der Weg zum fotografischen und somit künstlerischen Ausdruck steiniger und  schwieriger. Die afrikanische Kunst ist anders geprägt, die Möglichkeiten und Perspektiven differenzierter als in Europa. Beide Kunstgeschichten entwickelten sich anders und haben so einen anderen Blick auf den künstlerischen Ausdruck. Durch die Photographer’ Masterclass wurde eine Möglichkeit für bereits fortgeschrittene Fotografen in Afrika geschaffen, ihren eigenen künstlerischen Ausdruck in der Fotografie zu entwickeln. Dabei blieb der technische Aspekt hintenangestellt, es ging um inhaltliche Wege. Durch Diskussionen, kritisches Hinterfragen und Vernetzen mit anderen Fotografen und Kuratoren wurden neue Sichtweisen und Perspektiven für das eigene Schaffen der jungen Künstler eröffnet. 

Fotografie ist heute ein wichtiges Mittel für die Kunst und den Alltag, sie hält das Leben fest, sie stellt eine Bühne dar, die zeigt, kritisiert, überspitzt, Gedanken aufwirft und bestenfalls sogar zum Nachdenken anregt. Fotografie inszeniert den Alltag in Bildern und lässt dennoch Raum für Fantasie und Interpretation. So zeigt sie mehr noch als einen kurzen Moment, sie ist oft die Visualisierung von etwas Narrativem, vielleicht einer Geschichte. Und auch die Fotografie in Afrika ist allmählich zu einem bedeutenden Bestandteil geworden, das Leben und die Welt der Afrikaner zu vermitteln, zu transportieren und Transparenz zu schaffen, für ein gesellschaftliches Verständnis. Noch immer gibt es viele Orte in Afrika, die gezeichnet sind von Bürgerkriegen. Afrika konnte seit Jahrhunderten keinen Frieden finden und noch heute beherrschen manche Teile Afrikas Kriege, Hungersnöte und Krankheiten, auf als Resultate der Kolonialisierung. Afrika ist gezeichnet, anders als reichere Kontinente wie Amerika oder Europa. Und in einigen der Fotografien sind die Leiden der Dargestellten spürbar. Komposition und dargestellte Szenen spiegeln einiges dessen wieder.

„All these young photographers deserve our committed attention.“[2]Im folgenden jedoch werden drei Positionen exemplarisch beschrieben und hervorgehoben, um einen näheren Einblick in das Buch zu erhalten.

Sammy Baloji zeigt in seinen Fotografien das Leben in der Demokratischen Republik Kongo ganz nah und unverstellt, authentisch und real. Die Protagonisten veranschaulichen dem Betrachter einen Teil ihres Alltags, wie und wo sie arbeiten, wie und wo sie wohnen. Die Menschen lächeln nicht und blicken direkt in die Kamera umgeben von ihren Lebenssituationen. Es herrscht teilweise eine beklemmende Atmosphäre, denn die Bilder zeigen ein komplett anderes Leben von dem unsrigen in Europa. Die Fotografien sind anthropologische Studien. Studien, die Afrika von einer natürlichen Authentizität zeigen. Baloji studierte Humanwissenschaften, was seinen Arbeiten sicherlich als Basis diente. Er nahm an der documenta 14 in Kassel teil und erarbeitete sich einen Namen als Fotograf.

Macline Hiens Fotografien hingegen wirken entrückter. Es gibt eine Distanz zwischen Betrachter und Bildinhalt. Das mag daran liegen, dass dem Betrachter die Protagonisten ihre Rücken zuwenden und auf einen vor sich aufgehängten schwarzen Vorhang blicken. Es ist eine Art Bühnenstück, nur in die verkehrte Richtung. Die Landschaften und Häuser, die sich hinter den Vorhängen auftun, sind reduziert, düster vielleicht. Es ist keine urbane Welt, es sind kleine Häuser aus Stein mit wenigen Fenstern. Bäume sind erkennbar, das Gras ist teilweise abgestorben oder es gibt kein Gras, nur Erde. Der Hintergrund lässt das Sujet noch weiter entrücken und bedrücken. Hien zeigt uns jedenfalls kein fröhliches und kein buntes Afrika, wie wir es uns manchmal gerne vorstellen wollen. 

Thabisco Sekgala veranschaulicht in seinen Fotografien ein desillusioniertes Afrika, Südafrika nach der Apartheid: Menschen mit ernsten Gesichtern, die in die Kamera blicken oder nicht und vor allem sieht man karge Landschaften mit Industrie und Gleisen. Es sind dystopisch anmutende Bilder, die doch Realität sind. Sie wirken ungestellt, echt, zufällig und auch ein wenig hoffnungslos. Sekgala starb 2014 in Johannesburg mit nur 33 Jahren, er beging Selbstmord. In seinen Arbeiten geht es um Heimat und Identität, auf den ersten Blick deutlich, doch die Arbeiten lassen den Betrachter tiefer eindringen und hinterfragen. Sekgala zeigt die puren Gefühle auf den Gesichtern, Trauer und Ernüchterung. Hoffnung sucht man in den Fotografien vergebens. 

Alle gezeigten Bilder sagen etwas über die Zeit aus, sie vermitteln ein Afrika von heute, das Leben auf diesem Kontinent. So bleiben sie auch in der Zukunft relevant. Daher ist das Buch als Dokumentation ein wichtiger Aspekt der Arbeit der Masterclass. Das Buch lohnt einen Blick, nicht nur für Fotografiebegeisterte, denn es bietet mehr als Hintergrundwissen zur afrikanischen Fotografie. Es bietet Informationen und es vermittelt Gefühlswelten von Afrikanern vor und hinter der Kamera. Es ist der Blick der Afrikaner auf Afrika, heimisch, nicht fremd, nah und intim, hoffnungsvoll oder aber auch hoffnungslos, kritisch und nachdenklich. Dabei entwickelte jeder der teilhabenden und gezeigten Fotografen eine eigene Bildsprache, die sich jedoch von einer europäischen Bildsprache inhaltlich, kompositorisch und auch in den Farben zu unterscheiden wagt. Nur Afrikaner selbst können den Blick auf ihr eigenes Land in authentischer Weise richten. „Der Erfolg der Photographers’s Masterclass zeigt sich in diesem Buch, das hoffentlich einen Beitrag dazu leisten kann, wie Afrika sich selbst sieht und wie Afrika von anderen gesehen werden könnte.“[3]

 

[1] Njami, Simon; O’Toole, Sean „Introduction“ in: „The Journey“, S. 17.

[2] Njami, Simon; O’Toole, Sean „Introduction“ in: „The Journey“, S. 17.

[3] Klaus Krischok, Vorwort in: „The Journey“, S. 11.

 

  • Zum Buch:

Simon Njami/Sean O’Toole (Hg.)
The Journey – New Positions in African Photography
Kerber Verlag
ISBN 978–3–7356–0682–2
21,5 × 28 cm
342 Seiten
145 farbige und 56 s/w Abbildungen
Sprache: Englisch

Texte von: Akinbode Akinbiyi, Lucienne Bestall, Nicola Brandt, Frédérique Chapuis, John Fleetwood, Emmanuel Iduma, Simon Njami, Sean O’Toole, Katrin Peters–Klaphake, Cara Snyman

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