Es war früh im beginnenden 20. Jahrhundert, die Welt musste bereits einige Hürden nehmen und in der Kunst gab es viele Umbrüche. Mit den 1920er Jahren begannen die sogenannten „Roaring Twenties“ oder „Goldene Zwanziger“. Der erste Weltkrieg war vorbei, in der Wirtschaft wurde ein Aufschwung vermerkt und in Deutschland begann die Zeit der Weimarer Republik. Politisch erst einmal noch nicht sehr stabil, dafür aber herrschte Frieden. Es war für die Deutschen eine Zeit der Neuorientierung in Kunst, Gesellschaft und Politik.
Die Ausstellung „Der Böse Blick“ im K20 in Düsseldorf zeigt Werke von Otto Dix, die anschaulich seine Entwicklung als Maler aufzeigen. Dabei liegt der Fokus auf den Schaffensjahren, die Dix in Düsseldorf verbrachte. Eine Phase, in der er neue Eindrücke gewann und diese seine Malerei weitreichend beeinflussten. Zu sehen ist die Ausstellung bis zum 14. Mai 2017.
Otto Dix und die neue Sachlichkeit
Otto Dix zählt zu den wichtigsten Vertretern der Neuen Sachlichkeit oder auch Verismus genannt, eine Stilrichtung in der Kunst (ca. 1920 bis 1935), die sich auf das Sichtbare und die gesellschaftlichen Gegebenheiten konzentrierte. Geprägt wurde der Begriff durch Gustav Hartlaub, Direktor der Mannheimer Kunsthalle, der im Jahre 1923 eine Ausstellung unter dem Titel „Neue Sachlichkeit“ mit Künstlern wie unter anderem auch Otto Dix realisierte.
Sie war als Gegenströmung zum Expressionismus zu bewerten, der in der Kunst Gefühle und das Innere versuchte darzustellen und zunehmend abstrakter wurde.
„Kunst machten die Expressionisten genug, wir wollten die Dinge ganz nackt, klar sehen, beinahe ohne Kunst. Die Neue Sachlichkeit, das habe ich erfunden.[1]“
Die Neue Sachlichkeit jedoch blieb weitestgehend gegenständlich, obwohl einige Elemente wie die dunklen Konturlinien des Expressionismus in ihr wiederzufinden waren. Zudem war diese Richtung als Antwort auf politische, gesellschaftliche und soziale Umwälzungen in Deutschland zu verstehen. Der Blick auf die Welt war zynisch und sarkastisch, bunte Farben standen im Kontrast zu den Inhalten der Kunstwerke. Die Motive wurden überschärft dargestellt und oft ins Karikaturhafte abgewandelt, um soziale Gegensätze zu thematisieren und zu kritisieren. Die Schattenseiten der politischen Umwälzungen wurden dem glitzernden gesellschaftlichen Leben der „Goldenen Zwanziger“ entgegengesetzt.
Otto Dix, einer der wichtigsten Vertreter der Neuen Sachlichkeit (Verismus), wurde 1891 in Untermhaus in der Nähe von Gera geboren und starb 1969 in Singen. Er setzte sich schon früh mit den alten Meistern auseinander und studierte ihre Techniken. Sein Können und seine Erfahrungen werden in seinen Bildern deutlich und seine kritische Handschrift machte Dix Kunst unverkennbar. Dennoch war er politisch nicht aktiv.
In den Bildern seiner frühen Schaffensjahre ist noch deutlich der Einfluss der Kubisten und Futuristen erkennbar. Diese Werke sind in Kuben unterteilt und farblich stark betont. Ein Beispiel ist hier das Bild „Leda (Leda mit dem Schwan)“ von 1919. Dix greift das mythologische Thema der Liebelei zwischen der Sterblichen Leda und des Gottes Zeus in Gestalt eines Schwans auf, dabei ist Leda in leuchtenden Rot- und Pinktönen gehalten. Alle Elemente des Bildes sind aus geometrischen Formen gebildet und verbinden sich zu einem in Kuben unterteilten Bild. Die unmittelbaren Nachkriegsjahre verbrachte der Künstler in Dresden, hier experimentierte er noch mit verschiedenen Stilen und Einflüssen, so auch erkennbar in dem Werk der Leda.
Otto Dix und der Krieg
Der erste Weltkrieg war ein einschneidendes Erlebnis, sowohl für ganz Deutschland als auch für viele deutsche Künstler und ihre Kunst. Otto Dix wurde 1914 eingezogen und erlebte die Schrecken so bis zum Ende hautnah mit. Da er immer ein Skizzenbuch dabei hatte, konnte er die Erlebnisse in Bildern und Skizzen festhalten. Nach Ende des Krieges kehrte er nach Dresden zurück und verarbeitete in seiner Kunst auch Themen des Krieges. So entstand ein grafischer Zyklus von 50 Radierungen mit dem Titel „Der Krieg“ von 1923/1924, der eindringlich und schrecklich realistisch dokumentiert, welche Auswirkungen und Elend dieser Krieg für Volk, Soldaten und Menschen mitbrachte. Es entstand auch ein großes Gemälde mit dem Titel „Schützengraben“, das die Gräuel so exemplarisch darstellte, dass es heftigst kritisiert wurde. Das Bild gilt heute als verschwunden.
„Der Krieg war eine scheußliche Sache, aber trotzdem etwas Gewaltiges. Das durfte ich auf keinen Fall versäumen! Man muss den Menschen in diesem entfesselten Zustand gesehen haben, um etwas über den Menschen zu wissen.“[2]
Auch den zweiten Weltkrieg erlebte Otto Dix. Mit der Machtübernahme der Nationalsozialisten 1933 verlor Dix zunächst seine Professur an der Dresdner Kunstakademie. Später wurde seine Kunst als entartet diffamiert und er erhielt Ausstellungsverbot. Im Jahr 1945 wurde er in den Kriegsdienst eingezogen und musste bis zum Jahr 1946 in französischer Kriegsgefangenschaft verbringen.
Otto Dix in Düsseldorf
In den Jahren in Düsseldorf (1922 bis 1925) hatte Dix bereits eine eigenständige Handschrift in Dresden entwickelt, dort sah er jedoch in der Zeit keine Perspektive für sich und ging ins Rheinland. Durch diese intensive Zeit des Schaffens in Düsseldorf wurde er in Motiv- und Themenfindung stark beeinflusst und entwickelte sich vom Dadaisten und Expressionisten hin zum Neuen Sachlichen. Erst in Düsseldorf wurde er zu dem Künstler, so wie er heute bekannt und berühmt ist.
Er wurde Mitglied der Künstlervereinigung „Das Junge Rheinland“, einer Gruppe, die unabhängig von Institutionen und Galerien eine Plattform für den Austausch bilden sollte. So beteiligte sich Dix aktiv an der Kunstszene im Rheinland.
Er inszenierte sich als mürrisch drein blickender, wenig fröhlichen Künstler, als modebewussten Dandy, der immer einen bösen Blick, ja, schon fast diabolisch, zur Schau trug. So stellte er sich 1921 der Mäzenin und Galeristin Johanna Ey in Düsseldorf, die ihn bereits zuvor bat, ihr Werke zu schicken, vor.
In zahlreichen Selbstbildnissen verewigte sich Dix selbst. Diese Werke nehmen eine besondere Position in seinem Schaffen ein, denn hier kann er sich so darstellen wie er gesehen werden wollte. Es ist eine Imagebildung, die er pflegte.
„Die Selbstbildnisse sind Bekenntnisse eines inneren Zustandes. Immer wieder stelle ich erstaunt fest: du siehst doch ganz anders aus, als du dich selbst bis jetzt dargestellt hast. Es gibt da keine Objektivität, fortgesetzt erfolgt eine Wandlung; es gibt so viele Seiten eines Menschen. Im Selbstbildnis kann man das am besten studieren.“[3]
Der Kölner Galerist Karl Nierendorf vertrat Dix in seiner Galerie. Durch seine günstig und schnell angefertigten Aquarelle und Grafiken, die er weniger als Vorstufen zu seiner Malerei und mehr als eigenständige Werke sah, erreichte er materielle Sicherheit. 1925 aquarellierte er eine Mappe mit biblischen Themen, die er für die fünfjährige Hana malte. Hana war die Tochter des Arztes und Kunstsammlers Dr. Hans Koch und seiner geschiedenen Frau Martha, die 1923 Dix heiratete und später mit ihm drei Kinder bekam. Diese gesamt 14 Aquarelle sind als einziges noch im Gesamten erhalten, denn sie wurden erst 2016 im Nachlass Hanas entdeckt. Sie sind in der Ausstellung „Der böse Blick“ erstmals zu sehen. Religion interessierte Dix im Grunde nicht, doch bot ihm die Bibel allerhand Geschichten, die er bildhaft umsetzen konnte.
Otto Dix schrieb sich 1923 als Meisterschüler an der Düsseldorfer Akademie ein und bekam so die Möglichkeit ein Atelier zu beziehen. An der Akademie konnte er seine Kenntnisse und sein Wissen im Umgang mit Radierungen verbessern.
Besonders aber stechen seine Porträts hervor. Mit denen er sich allmählich einen Namen machte. Sie bilden ein eigenständiges Sujet in seinem Werk.
„Porträtmalen wird heute von den Modernen für eine subalterne künstlerische Beschäftigung gehalten; dabei ist es eine der reizvollsten und schwersten Arbeiten für einen Maler. Vor vielen Jahren sagte Max Liebermann einmal zu mir: ‚Malen Sie nur viel Porträt! Bei uns Deutschen ist sowieso alles Porträt, was wir malen!’“ [4]
Das in der Ausstellung gezeigte Bildnis von Max John, 1920 entstanden, weist bereits die Richtung seiner malerischen Entwicklung auf. John war Drucker und druckte später auch Holzschnitte für Dix. Trotz einiger noch beibehaltener Kriterien aus dem Expressionismus, der schnelle Pinselstrich oder die scharfen Konturen, zeigt sich in dem Bildnis eine klare Formensprache. Der blutrote Hintergrund bestätigt die linke politische Einstellung Johns.
Zu jedem verschiedenen Typ Mensch fand Dix die passende Farbe, um ihn zu charakterisieren. Die Farbe unterstützt die enorme Ausdruckskraft der Bilder.
„Nun ist nicht nur die Form, sondern auch die Farbe von größter Wichtigkeit und ein Mittel, das Individuelle auszudrücken. Jeder Mensch hat seine ganz spezielle Farbe, die sich auf dem ganzen Bild auswirkt.“ [5]
Dies zeigt sich beispielhaft an dem Porträt der Tänzerin Anita Berber von 1925. Die Dargestellte ist ganz in Rot dargestellt, nur ihr Gesicht und die Hände weichen von der Farbigkeit ab durch die hellen Rosa- bzw. Weißtöne. Der Hintergrund ist ebenfalls blutrot und nur ein leichter Schein, der sie umgibt, grenzt sie vom Hintergrund ab. Rot ist die Farbe für das Verruchte, das Sinnliche, die Liebe, aber Rot vermittelt auch etwas Böses, Teuflisches. Anita Berber ist hier ist die Personifizierung der Zügellosigkeit, des Glanzes und auch des beginnenden Untergangs der Weimarer Republik und der „Roaring Twenties“ in einem einzigen Bildnis.
Auch wenn die Porträts wie Karikaturen wirken, überspitzt und detailreich dargestellt sind, traf Dix doch die individuelle Charakterzüge eines jeden Porträtierten, so zum Beispiel malte er Dr. Paul Ferdinand 1921 mit proportional zu großem Kopf, um auf seine Intellektualität und Feingeistigkeit hinzudeuten. An diesem Porträt zeigt sich bereits die nüchterne und realistische Sachlichkeit und düstere Farbgebung, mit der Dix sich in den späteren Jahren auseinandersetzt und die den Weg in Richtung Neue Sachlichkeit andeutet. Das Porträt der bekannten Galeristin und Kunstförderin Johanna Ey, die „Mutter Ey“ aufgrund ihrer unterstützenden und mütterlichen Art genannt wurde, stellte Dix in die Reihe von Herrscherdarstellungen. Sie wirkt auf dem Bild erhaben und respektvoll, es ist das Porträt einer Patronin. Der Blick ist dennoch etwas skeptisch und wohl überlegend, was sie von der Situation erwarten kann.
Für seine Porträts wählte er auch einige Male seine Kinder, diese Werke fallen etwas heraus, da er seine Kinder nicht überspitzt und karikaturhaft darstellte. Die Bilder wirken fröhlich und heiter.
Im Jahr 1925 zog Dix mit seiner Familie auf Anraten seines Galeristen Nierendorfs nach Berlin, denn dort erwachte ein neues und lebendiges Zentrum für moderne Kunst während der Zeit der Weimarer Republik.
In der Ausstellung
Die Ausstellung zeigt einen schönen Überblick über das Schaffen Otto Dix, nicht nur über die Jahre, die Dix in Düsseldorf verbrachte, sondern seine gesamte künstlerische Entwicklung wird aufgezeigt. Die Ausstellung beleuchtet sowohl Dix als Künstler als auch als Privatmann. Gezeigt werden Bilder auf Leinwand, Aquarelle, Skizzen, Grafiken und Aufzeichnungen. So hat der Besucher die Möglichkeit Otto Dix kennenzulernen.
„Ich bin Augenmensch und kein Philosoph. Deshalb nehme ich in meinen Bildern immer wieder Stellung, zeige, was in Wirklichkeit ist und was um der Wahrheit willen gesagt werden muss.“[6]
[1] Otto Dix, 1965, zitiert in „Der Böse Blick – Begleitheft zur Ausstellung“ der Kunstsammlung NRW
[2] Otto Dix, 1961, zitiert in „Der Böse Blick – Begleitheft zur Ausstellung“ der Kunstsammlung NRW
[3] Otto Dix, 1957, zitiert in „Der Böse Blick – Begleitheft zur Ausstellung“ der Kunstsammlung NRW
[4] Otto Dix, 1955, zitiert in „Der Böse Blick – Begleitheft zur Ausstellung“ der Kunstsammlung NRW
[5] Otto Dix, 1955, zitiert in ebd.
[6] Otto Dix, 1966, zitiert in „Der Böse Blick – Begleitheft zur Ausstellung“ der Kunstsammlung NRW
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