Manchmal spricht ein Bild, noch bevor wir es in all seinen Facetten wahrnehmen. Es begegnet uns vielleicht wie ein leises Flüstern, das lauter wird und in uns nachwirkt – in seiner ganz eigenen Sprache.
Die Bilder von Maja Lilian Krakau sprechen und erzählen eine Geschichte, die im Verborgenen steckt. Form und Farbe sind bei ihr keine Gegensätze, keine Elemente im Wettstreit. Sie interagieren miteinander und gehen eine Verbindung ein. Krakau gelingt, was viele suchen: eine Balance aus Intuition und Komposition. Ihre Abstraktionen wirken wie unbewusste Eindrücke, die sich im Inneren manifestiert haben und nun wieder hervortreten. Sie malt nicht, um zu erklären. Sie malt, um sich zu erinnern, an etwas, das wir vielleicht schon längst in uns tragen. Eine Stimmung. Eine Sehnsucht. Ein Bedürfnis.

Maja Lilian Krakau
Foto: Eberhard Weible
www.gull.de
In ihren abstrakten Kompositionen verschmelzen Form und Farbe zu einer stillen, fragil wirkenden Poesie. Alles scheint in Beziehung zueinander zu stehen. Maja Lilian Krakau schafft, was sich viele Kunstschaffende wünschen: Sie trägt ihr Inneres nach außen und vermittelt mit ihrer Kunst etwas, das nicht nur die Sehnsucht nach Ästhetik erfüllt, sondern auch im Wahrgenommenen der Kunst etwas Sinnliches und Spürbares findet – und das nur durch Form und Farbe.

“simultaneity“, 2023,
Aquarell auf Papier, 25 x 21 cm
Die Sprache der Abstraktion
Abstraktion bedeutet nicht nur, das Offensichtliche zu reduzieren und auf Form und Farbe zu beschränken. Abstraktion ist viel mehr, als unser Auge wahrnimmt. Es ist die Harmonie, die Komposition und Ausgewogenheit, die aus abstrakten Bildern sprechen. Am Ende entsteht vielleicht ein Gefühl, das Spuren hinterlässt und uns inspiriert oder sogar beflügelt. Ein Gefühl, das wir in unseren Alltag mitnehmen und das uns Leichtigkeit schenken kann. Insbesondere bei abstrakter Kunst stellt sich die Frage, ob Kunst der Spiegel unserer Seele ist oder sein kann.
Maja nutzt die künstlerische Praxis der Reduzierung auf Formen und Farben. Ihre Abstraktionen schaffen es mit wenigen Mitteln, Gefühle zu erzeugen, Perspektiven zu verschieben und Wahrnehmungen zu verändern. Es ist die große Kunst der Abstraktion. Es sind nicht nur Farbflecken nebeneinander, es ist ein Gerüst, das Licht und Empfinden in sich miteinander spielen lässt.
In der Malerei bedeutet Abstraktion, auf die direkte Wiedergabe der sichtbaren Realität zu verzichten. Stattdessen geht es um Formen, Farben und Strukturen, die Gefühle und Eindrücke ausdrücken, ohne konkrete Gegenstände oder Szenen abzubilden. Studien zeigen: Abstrakte Kunst aktiviert das sogenannte Default Mode Network, ein Netzwerk im Gehirn, das beim Tagträumen und kreativen Denken aktiv ist. Sie kann neue Denkwege eröffnen und zu unerwarteten Lösungen führen.

Maja Lilian Krakau
Foto: Eberhard Weible
www.gull.de
Sie ist frei von erzählerischen Zwängen und eröffnet dem Betrachter einen offenen Raum für Interpretation. Sie fordert den Betrachter heraus, eigene Assoziationen zu finden. Maja komponiert mit minimalen Mitteln: Linien, Schatten, Farbschleier. Und doch entsteht eine fast greifbare Atmosphäre.
Farben und Licht
In den Aquarellarbeiten von Maja scheinen Farben und Licht unabdingbar vereint zu sein. Ihre Bilder wirken wie visuelle Gedichte: intensiv, atmosphärisch und voller Bewegung. Die Farbe ist dabei nicht nur ein Mittel zur Gestaltung, sondern ein kraftvolles Ausdrucksmittel. Majas Werke sind geprägt von einer außergewöhnlichen Sensibilität für Licht. Sie erschafft Bildwelten, die gleichzeitig leicht und tiefgründig sind. Dabei geht sie intuitiv vor: Schichten aus kräftigen Pigmenten treffen auf transparente Übergänge, leuchtende Flächen auf dunkle Kontraste. So entstehen Werke, die pulsieren und sich scheinbar mit dem Licht verändern.
Aquarell
Der Begriff „Aquarell“ lässt sich auf das lateinische Wort für „Aqua“, also Wasser, zurückführen. Wasser ist die Basis, es vermischt die Farben, lässt sie ineinanderlaufen und fließen und sorgt dafür, dass die aufgetragene Farbe durchscheinend erscheint. Durch ihre Zartheit haben Aquarellfarben eine besondere Leuchtkraft und erzeugen eine besondere Tiefe, da das Weiß des Maluntergrunds mit den Farben in Verbindung tritt.

“simultaneity“, 2024,
Aquarell auf Papier, 18 x 15 cm
Durch das lasierende Übereinanderlegen der Farbschichten oder die „Nass-in-nass“-Technik in Kombination mit fein geriebenen Farbpigmenten entsteht eine poetische Farbwirkung.
Das Aquarell ist ein sanftes Medium, das viel Feinheit, aber auch Unkontrollierbarkeit mit sich bringt. Leichte Farben und Lichtverhältnisse lassen sich mit der Technik des Aquarellierens wunderbar umsetzen. Auch wenn sich Fehler nicht korrigieren oder zurücknehmen lassen. Das macht das Malen mit Aquarellfarben letztlich komplex. Einmal aufgetragen, geht die Farbe durch das Wasser direkt eine Verbindung mit dem Untergrund ein. Das Wasser verhält sich dabei wie Stimmungen oder Gedanken. In Majas Händen wird daraus eine Sprache. Eine Sprache, die nicht laut ist, aber klar. Nicht aufdringlich, aber eindringlich.
Zwischen Intuition und Kontrolle
Maja malt nicht nach Plan. Sie lässt sich vom Moment leiten, gibt dem Zufall Raum und vertraut auf ihre innere Ausdruckskraft. Ihr Gestus und ihre Malpraxis sind spontan. Diese Freiheit spiegelt sich in ihren dynamischen und expressiven Linien und Flächen wider, die oft wie organische Bewegungen erscheinen. Doch auch wenn ihre Werke spontan wirken, sind sie präzise durchdacht. Es ist dieses Spannungsfeld zwischen Intuition und Kontrolle, das ihre Arbeiten so fesselnd macht.

Maja Lilian Krakau
Foto: Andreas Keil
Die Farben sind dünn aufgetragen, sodass die übereinander geschichteten Farbflächen ineinanderlaufen können. So gehen die Farben einen Dialog mit dem Malgrund ein. Die Komposition scheint in Bewegung zu sein, und dennoch wohnt den Bildern eine angenehme Stille inne.
Ein Werk von Maja kann je nach Licht und Perspektive immer wieder neue Bedeutungen offenbaren, es ist ein Dialog zwischen Kunstwerk und Betrachter. „Abstrakte Bilder sind fiktive Modelle, weil sie eine Wirklichkeit veranschaulichen, die wir weder sehen noch beschreiben können, auf deren Existenz wir aber schließen können.“[1]
Bereits beim ersten Pinselstrich wird die weiße Fläche des Papiers durchbrochen und etwas Neues tritt in Erscheinung. Die Farben interagieren mit dem Licht, das auf das Papier trifft, und lassen so neue Formen und Harmonien entstehen.

“simultaneity“, 2023,
Aquarell auf Papier, 25 x 21 cm
Maja nutzt die Energie des Lichts und malt, was sie selbst spürt, denn die Abstraktion lebt von Gefühlen, die sich im Wechsel miteinander entwickeln. Abstrakte Kunst wirkt auf einer anderen Ebene als gegenständliche Kunst. Sie zeigt nicht, was wir sehen sollen, sondern lässt uns fühlen. Ihre psychische Wirkung hängt stark vom Betrachter ab. Sie aktiviert unsere Vorstellungskraft, erzeugt Assoziationen, weckt Erinnerungen und löst Emotionen aus. So werden Bedeutungen in der Betrachtung kognitiv selbst erschaffen. Interpretationen sind frei.
Je nach seelischer Verfassung können Abstraktionen Stimmungen spiegeln oder verändern. Dabei werden unbewusste Inhalte in das Gesehene projiziert.
Fazit
Die Kunst von Maja Lilian Krakau schafft es mit ihrer abstrakten Malerei, intensive Emotionen zu wecken. Ihre Werke sind ein Spiel aus Farbe, Licht und Bewegung – ein ästhetisches Erlebnis, das berührt und inspiriert. Wer sich auf ihre Arbeiten einlässt, wird mit einer ganz eigenen, poetischen Sicht auf die Welt belohnt. Es ist die wunderbare Art, Licht in die Farbe einzubinden und widerzuspiegeln, die Majas Arbeiten einzigartig macht. Die Farben und das Licht gehen eine Verbindung ein, interagieren miteinander und geben sich gegenseitig Energie, die beim Betrachten deutlich spürbar wird.
Letztendlich ist es das angenehm losgelöste und anziehende Gefühl, das die Arbeiten vermitteln, das sie so faszinierend macht. Gleichzeitig entstehen Leichtigkeit und Tiefe. Ihre Bilder berühren und streicheln die Seele, ohne dass wir es bemerken. Erst wenn wir weggehen und den Nachklang, die Inspiration und die Beflügelung spüren, merken wir, wie sehr die Bilder in uns eingedrungen sind. Ähnlich wie das Licht in das Bild.

Maja Lilian Krakau
Foto: Andreas Keil

„whitenhazy“, 2023,
Acryl auf Papier, 50 x 42 cm
[1] Gerhard Richter: https://www.gerhard-richter.com/de/quotes/subjects-2/abstract-paintings-7