Es sind malerische Bilder. Aufnahmen, die Sensibilität für den Ort und Schönheit zeigen. Fotografien, die den Betrachter in seiner Wahrnehmung fordern und manchmal auch irritieren, aber in eine andere, vielleicht romantische, Welt entführen können.
Fotografien, aufgenommen bei Tag und bei Nacht, „Night and Day„, so der Ausstellungstitel der großen Schau des deutschen Fotografen Axel Hütte im Museum Kunstpalast in Düsseldorf, zu sehen bis zum 14. Januar 2018. Gezeigt werden rund 70 großformatige Arbeiten aus dem Zeitraum 1995 bis 2017 des Düsseldorfer Künstlers. So ist die Ausstellung bisher die umfassendste Präsentation seines Werkes. Auch bislang unveröffentlichte Arbeiten aus Kanada und den USA wurden gehängt.
Die Fotografien des 1951 in Essen geborenen Künstlers, sind atmosphärisch und wirken rätselhaft. Zudem ist es die Stille, die wirkt, und die unendliche Einsamkeit. Die großformatigen Fotografien zeigen Ausschnitte aus Landschaften, Gebirgspanoramen, Wäldern und Städten. So entführt Hütte den Betrachter in neue fremde Umgebungen. Die Kompositionen bestechen durch ihre ausgewogene Farbkomposition, dem fremdartigen, doch vertrauten Ausschnitt und dem Gefühl des Einfangens in das Bild.
Axel Hütte ist ein international renommierter Fotograf, in Deutschland bekannt und geschätzt für seine verträumt anmutenden Aufnahmen. Mit Hütte verbindet der Betrachter die Düsseldorfer Fotoschule, denn er studierte von 1973 bis 1981 bei Bernd Becher und gehört der Riege bekannter deutscher Fotografen wie Thomas Struth, Candida Höfer, Andreas Gursky oder Thomas Ruff an.
Bernd und Hilla Becher zählten zu den Pionieren der sachlichen deutschen Fotografie, die durch eine neuartige Ästhetik überzeugten, sie bildeten einige für die Kunst heute wichtigen Fotografen aus. Als Vorreiter der deutschen Konzeptfotografie deklariert, waren die Bechers beeinflusst durch die Fotografie der Neuen Sachlichkeit des beginnenden 20. Jahrhunderts. Kriterien waren eine objektive fotografische Sichtweise und eine gewisse Distanz zu den Objekten. Charakteristisch war eine journalistische und dokumentarische Fotografie, die Realität sollte sachgemäß ohne verschönernde Elemente wiedergegeben werden. Diese Charakteristika gaben sie an ihre Schüler weiter, auch an Hütte, wie die Ausstellung veranschaulicht. Doch er fand seinen eigenen Weg.
Axel Hütte war einer der ersten Studenten der Bechers. Deren vorgegebene Kühle behielt Hütte in seinen eigenen Werken bei, seine Themen und Sujets zeichneten sich bereits während seines Studiums ab. Dennoch sind es Andreas Gursky, Thomas Struth oder Candida Höfer, die bekannter wurden. Axel Hütte tritt in diesem Rahmen nicht so hervor. Und anders als beispielsweise Gursky bearbeitet Hütte seine Fotografien nicht digital. Unterwegs hat er seine Plattenkamera dabei, die er auch in den Dschungel oder die Antarktis nimmt oder besser schleppt. Er dokumentiert jedoch nicht, denn sonst wäre das malerische Element fehl am Platz, und er bringt manchmal nur ein oder zwei Fotografien mit nach Hause, das würde einer Dokumentation nicht gerecht. Für einige Aufnahmen nimmt er die Vogelperspektive ein, er fotografiert beispielsweise aus einem sieben Meter in die Höhe gebrachten Hubwagen oder aus einem Hubschrauber heraus.
Weil er Traumbilder erschaffen will, sagt er selbst, „… sieht man nicht wie bei Monet eine konkrete Realität, etwa Seerosen, sondern man sieht die gespiegelte Welt, die aber im Bild nicht als real auftaucht.“
Anders als Gursky oder Höfer wirken Hüttes Arbeiten malerisch und auch romantisch wie Bilder von Caspar David Friedrichs oder William Turner, mitunter auch poetisch wie zwei Waldfotografien mit toten Ästen, die von Nebel verschleiert werden, veranschaulichen. Hütte hingegen sieht sich selbst nicht als Romantiker, auch wenn er mit den romantischen Elementen spielt. „Das hängt mit dem Blick des Betrachters zusammen, der der Romantiker ist.“, so Hütte. „Ich reflektiere über die Romantik, aber ich arbeite kaltblütig“. Dennoch sind es keine Sehnsuchtsorte, die Hütte zeigt. Es sind keine Reisefotos für Hochglanzmagazine, für ihn sind die Bildstrukturen wichtig. Irritierend wirken seine Bilder manchmal, denn er stellt beispielsweise Wasserspiegelungen auf den Kopf.
Kunsthistorische Bezüge sind in seinem Werk zu finden, zu Friedrich oder Turner, wie bereits erwähnt. Sie suchten in der Natur etwas Unerklärliches, etwas Erhabenes, sogar Göttliches. Auch Hüttes Blick ist emotional, seine Empfindsamkeit ist in den Fotografien deutlich spürbar. Landschaften im Nebel versunken waren in der Malerei der Romantik ein beliebtes Thema und vielverwendetes Motiv. Hütte reflektiert mit seinen Arbeiten die romantische Malerei, denn er nutzt ähnliche Mittel der Komposition und der Blickführung.
Hütte erkundet seine Umwelt ähnlich wie ein Naturforscher, wie es zum Beispiel Alexander von Humboldt tat. Beide begaben sich auf die Suche nach dem Unbekannten in südamerikanischen Wäldern. Hütte fand hier, wie anschaulich sichtbar in der „Rio Negro, Brazil“- Reihe von 1998, Strukturen des Urwaldes, die er in seine künstlerischen Kompositionen umsetzte. Durch das Mittel der Reduktion und die technisch hergestellte Schärfe wird eine scheinbar geordnete Natur dargestellt. Durch die Spiegelungen der Pflanzen und Gewächse und deren Anordnung verwischen jedoch die Grenzen zwischen Fotografie und abstrakter Malerei zunehmend.
In der Tradition eines August Sander beschäftigt sich Hütte in „Rheingau/Nebel 2, Germany“ von 2009 mit dem Thema des Rheinufers. Hütte ist hier die atmosphärische Darstellung wichtiger als das Sujet selbst, das unterscheidet ihn von seinen Lehrern, Hilla und Bernd Becher, sie suchten das Skulpturale in ihren Objekten.
Die Arbeit „Tokyo 1, Japan“ von 2010 wirkt anders, differenzierter. Thema ist eine beleuchtete Stadtlandschaft, das Foto aber ist geteilt durch einen schwarzen Balken in der Mitte. Die formale Strenge erinnert an Mark Rothko, der seine Bilder durch unterschiedliche aufeinander abgestimmte Farben unterteilte. Die Architektur wirkt oben und unten gespiegelt, ist es jedoch nicht. Hütte spielt hier mit der Wahrnehmung und den Möglichkeiten des Sehens und Differenzierens.
Eine weitere Serie von Aufnahmen thematisiert Nächte, eine seiner beliebtesten Sujets, Skylines der Städte Toronto, San Francisco und Detroit bei Nacht, Hütte Nachtzyklen, die 2016 neu entstanden. Die Bildstrukturen, die er hier einfängt, entstehen durch leuchtende Lichtquellen in der Schwärze der Nacht. Hierfür verwendet er die Technik der Daguerreotypie, die nach seinem Erfinder Louis Daguerre 1935 benannt wurde. Spiegelglatte, versilberte Kupferplatten werden genutzt, um darauf das Foto zu belichten. Das Bild besteht aus reinem schwarz und nicht wie bei einem normalen Foto aus Graustufen. Dies hat den Effekt, dass der silbrige Untergrund verschieden intensiv durchschimmert und eine Illusion von Helligkeit erzeugt wird. „Dieses Phänomen bei Irritation beim Betrachten der Fotografie möchte ich wieder erreichen. Ich arbeite an Techniken, die Fotografie nicht ausschließlich als Abzug auf Papier zeigt, sondern verwende als Bildträger Glas oder silbrig reflektierende Metalle, die die Erscheinung der abgebildeten Realität verfremden.“
Verschiedenste Nachtbilder tauchen in Hüttes Werk immer wieder auf und bilden seit 1996 einen seiner Schwerpunkte. In seinem Buch „After Midnight“ von 2006 fasst er einige Nachtaufnahmen zusammen, so auch „Las Vegas, Mandalay 1, USA“ von 2003, das in der Ausstellung zu sehen ist. Zunächst beschäftigte sich Hütte mit nur schwach beleuchteten Landschaften, die nicht städtisch waren, später wechselte er auch zu hell erleuchteten Großstädten. Das Schwarz der Nacht relativiert den Blick in die Bildtiefe der Fotografie. Es erscheinen immer wieder neue Lichtformen, die Hütte hier untersucht. Durch die lange Belichtungszeit werden die Eindrücke verstärkt. Hütte arbeitet hier sehr künstlerisch.
Der Fotograf ist viel unterwegs auf Reisen und thematisiert die gesehenen Landschaften und Architekturen in seinen Aufnahmen, dabei variieren seine Motive. Diese Fotografien sind auf Ausschnitte aus unbekannten Welten reduziert, die mit ungewöhnlichen Wahrnehmungen und Strukturen im Bild spielen. Es sind die ungewöhnlichen Bildstrukturen und Phänomene, die Hütte einfängt und damit den Betrachter überrascht. Diese sind jenseits einer Dokumentation. Hütte kombiniert viele Facetten und Aspekte, um die Aufnahme zu einer malerischen Inszenierung zusammenzufügen. Es ist nicht einfach nur Landschaft oder Architektur. Er veranschaulicht eine tief empfundene Wahrnehmung der Natur, nutzt hierbei Licht und Schattenverhältnisse oder Naturphänomene wie den Nebel.
Ein weiterer wichtiger Bildzyklus sind Hüttes sogenannte Brückenbilder, so zum Beispiele „Rawngilly Bridge, Australia“ von 1999. Hier setzte er sich mit den Strukturen des Bildes und dem Bildraum und dessen Wirkung auseinander. Hütte zeigt verschiedene Ebenen des Bildes auf und nimmt dem Raum Tiefe durch die Brücken, die das Bild unterbrechen. Er ästhetisiert die Architektur der Brücke, dennoch ist es kein objektives Abbild wie bei den Bechers. Er fokussiert sich auf die formale Struktur und verbindet diese mit der Umgebung. Hierdurch wird das Objekt verfremdet.
Das älteste Werk der Ausstellung ist „Furkablick, Switzerland“ von 1994. Hier nutzte Hüte erstmals das Element Nebel als künstlerisches Mittel zu Dekonstruktion des Bildraumes und zur Irritation. Hütte holt aus der Landschaft genau ihre Merkmale heraus, die Entlegenheit und die raue Schönheit hinter den Berggipfeln. Der Ausschnitt der Architektur deutet den menschlichen Eingriff in die Natur an. Diesen Aspekt greift Hütte später auch in den Brückenbildern auf.
Lediglich anhand der Titel sind die Orte für den Betrachter verdeutlicht, das Bildmotiv hingegen bietet keinerlei Anhaltspunkte.
In der Aufnahme „San Fernando de Atabapo, Venezuela“ von 2007, es war bis ins 20. Jahrhundert die Hauptstadt des venezolanischen Bundesstaates Amazonas, weist Hütte den Blick auf eine Flusslandschaft. Aber in irritierender Weise. Es sind Wasserspiegelungen zu erkennen, Bäume an der Oberfläche. Es ist alles nicht zurordbar. Zudem drehte Hütte die Aufnahme noch auf den Kopf, so wird das ganze Bild ins Abstrakte bewegt. Ist es poetisch? Verstörend bestimmt, auf ein Minimum reduziert, es besteht aus Linien und Spiegelungen. Es ist künstlerisch, besonders auch durch die metallische Farb- und Oberflächengestaltung. Dem Betrachter öffnet sich eine Vorstellung, ein imaginärer Raum. Immer wieder hinterfragt Axel Hütte die Wahrnehmung, das menschliche Sehen und unsere Sehweisen in seinen Aufnahmen.
Parallel zu der Ausstellung im Kunstpalast zeigt das Josef Albers Museum Quadrat in Bottrop eine weitere Ausstellung mit Axel Hüttes Frühwerk aus den Jahren 1978 bis 1995. Diese wird bis zum 7. Januar 2018 gezeigt. In dieser frühen Schaffensphase ist der Einfluss seines Lehrers Bernd Becher deutlich spürbar. Becher ist bekannt geworden durch seine sachliche und kühle Industriefotografie, die er gemeinsam mit seiner Frau Hilla schuf. So war auch Hüttes frühes Werk geprägt von kühler Sachlichkeit in seinen Architekturfotografien.
Die große Ausstellung im Kunstpalast war lange notwendig, Hüttes Werk sticht aus denen der deutschen Fotografen durch seine Poesie und Rätselhaftigkeit heraus. Axel Hütte ist weniger bekannt als seine Kollegen Gursky oder Struth, doch zu Unrecht. „Hütte ist kein Fotograf, er ist ein bildender Künstler, der die Methoden der Fotografie nutzt“ erklärte der Düsseldorfer Kurator Ralph Goertz.
(Die Zitate stammen aus folgenden zwei Quellen: http://www.zeit.de/news/2017-09/21/ausstellungen-axel-huette-der-irritierende-maler-unter-den-fotografen-21150602 und dem Begleitheft der Ausstellung)
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