Manchmal spricht ein Bild, bevor man es erst richtig in all seinen Facetten wahrnimmt. Es begegnet uns vielleicht wie ein leises Flüstern, das dann lauter wird und in uns nachwirkt in seiner ganz eigenen Sprache.
Die Bilder von Maja Lilian Krakau sprechen, sie erzählen eine Geschichte, die im Verborgenen steckt. Form und Farbe sind bei ihr keine Gegensätze, keine Elemente im Wettstreit. Sie interagieren und gehen eine Verbindung miteinander ein. Ihr gelingt, was viele suchen: eine Balance aus Intuition und Komposition. Ihre Abstraktionen wirken wie unbewusste Eindrücke, die sich einmal im Inneren manifestiert hatten und nun wieder hervortreten. Sie malt nicht, um zu erklären. Sie malt, um zu erinnern, an etwas, das wir vielleicht schon längst in uns tragen. Eine Stimmung. Eine Sehnsucht. Ein Bedürfnis.

Maja Lilian Krakau
Foto: Eberhard Weible
www.gull.de
In ihren abstrakten Kompositionen verschmelzen Form und Farbe zu einer stillen, fragil erscheinenden Poesie. Alles scheint in Beziehung zueinander zu stehen. Maja Lilian Krakau schafft das, was sich viele Kunstschaffende so sehr wünschen, ihr Inneres nach Außen tragen, mit ihrer Kunst etwas zu vermitteln, was nicht nur die Sehnsucht nach Ästhetik erfüllt, sondern auch in dem Wahrgenommen der Kunst etwas Sinnliches und Spürbares zu finden, nur durch Form und Farbe.

Die Sprache der Abstraktion
Abstraktion ist nicht nur das Offensichtliche, nicht nur die Reduzierung auf Form und Farbe und auch nicht nur das Weglassen der Gegenständlichkeit. Abstraktion ist viel mehr als unser Auge wahrnimmt. Es ist die Harmonie, die Komposition und Ausgewogenheit, die aus abstrakten Bildern spricht. Und am Ende entsteht vielleicht ein Gefühl, das seine Spuren hinterlassen hat und uns inspiriert oder sogar beflügelt. Ein Gefühl, das wir in unseren Alltag mitnehmen und das uns auch etwas Leichtigkeit wiedergeben kann. Und im Besonderen bei abstrakter Kunst, ergibt sich oftmals die Frage, ob Kunst der Spiegel unserer Seele ist oder sein kann? Maja nutzt die künstlerische Praxis der Reduzierung auf Formen und Farben.
Ihre Abstraktionen schaffen es mit wenigen Mitteln, Gefühle zu erzeugen, Perspektiven zu verschieben und Wahrnehmungen zu verändern. Es ist die große Kunst der Abstraktion. Es sind nicht nur Farbflecken nebeneinander, es ist ein Gerüst, das Licht und Empfinden in sich miteinander spielen lässt. Abstraktion in der Malerei bedeutet, auf die direkte Wiedergabe der sichtbaren Realität zu verzichten. Stattdessen geht es um Formen, Farben und Strukturen, die Gefühle und Eindrücke ausdrücken, ohne konkrete Gegenstände oder Szenen abzubilden. Studien zeigen: Abstrakte Kunst aktiviert das sogenannte Default Mode Network, ein Netzwerk im Gehirn, das beim Tagträumen und kreativen Denken aktiv ist. Denn sie kann neue Denkwege öffnen und unerwartete Lösungen ermöglichen.

Maja Lilian Krakau
Foto: Eberhard Weible
www.gull.de
Abstrakte Kunst ist frei von erzählerischen Zwängen und eröffnet dem Betrachter einen offenen Raum für Interpretation. Sie fordert den Betrachter heraus, eigene Assoziationen zu finden. Maja komponiert mit minimalen Mitteln: Linien, Schatten, Farbschleier. Und doch entsteht eine Atmosphäre, die fast greifbar ist.
Farben und Licht
Farben und Licht scheinen in den Aquarellarbeiten von Maja unabdingbar vereint zu sein. Ihre Bilder wirken wie visuelle Gedichte, intensiv, atmosphärisch und voller Bewegung. Die Farbe ist nicht nur Mittel zur Gestaltung, sondern kraftvolles Ausdrucksmittel. Majas Werke sind geprägt von einer außergewöhnlichen Sensibilität für Licht. Sie erschafft Bildwelten, die gleichzeitig leicht und tiefgründig sind. Dabei geht sie intuitiv vor, Schichten aus kräftigen Pigmenten treffen auf transparente Übergänge, leuchtende Flächen auf dunkle Kontraste. So entstehen Werke, die pulsieren und sich scheinbar mit dem Licht verändern.
Aquarell
Der Begriff Aquarell lässt sich auf das lateinische Wort für „Aqua“, also Wasser, zurückführen. Wasser ist die Basis, es vermischt die Farben, lässt sie ineinander laufen, fließen, lässt die aufgetragene Farbe durchschimmernd erscheinen. Aquarellfarben haben durch ihre Zartheit eine besondere Leuchtkraft und erzeugen eine besondere Tiefe, da das Weiß des Maluntergrunds mit den Farben in Verbindung tritt.

Das lasierende Übereinanderlegen der Farbschichten oder die „Nass-in-nass“ – Technik lassen in Kombination mit fein geriebenen Farbpigmenten eine poetische Farbwirkung entstehen. Das Aquarell ist ein sanftes Medium, das viel Feinheit mit sich bringt, aber auch Unkontrollierbarkeit. Leichte Farben und Lichtverhältnisse lassen sich mit der Technik des Aquarellierens wunderbar umsetzen. Auch wenn es sich nicht korrigieren, nicht zurücknehmen lässt. Das macht das Malen mit Aquarellfarben am Ende komplex. Einmal Farbe aufgetragen, geht die Farbe durch das Wasser direkt eine Verbindung mit dem Untergrund ein. Das Wasser geht seinen Weg wie Stimmungen oder Gedanken. In Majas Händen wird daraus eine Sprache. Eine, die nicht laut ist, aber klar. Nicht aufdringlich, aber eindringlich.
Zwischen Intuition und Kontrolle
Maja malt nicht nach Plan, sie lässt sich vom Moment leiten, gibt dem Zufall Raum und vertraut auf ihre innere Ausdruckskraft. Gestus und Malpraxis sind spontan. Diese Freiheit spiegelt sich in ihren dynamischen und expressiven Linien und Flächen wider, die oft wie organische Bewegungen erscheinen. Doch auch wenn ihre Werke spontan wirken, sind sie präzise durchdacht. Es ist dieses Spannungsfeld zwischen Intuition und Kontrolle, das ihre Arbeiten so fesselnd macht.

Maja Lilian Krakau
Foto: Andreas Keil
Die Farben sind dünn aufgetragen und die Lasur ermöglicht das Ineinanderlaufen der Farbflächen, die übereinander geschichtet sind. So gehen die Farben einen Dialog mit dem Malgrund ein. Die Komposition scheint in Bewegung zu sein, aber dennoch wohnt den Bildern eine angenehme Stille inne. Ein Werk von Maja kann je nach Licht und Perspektive immer wieder neue Bedeutungen offenbaren, es ist ein Dialog zwischen Kunstwerk und Betrachter. „Abstrakte Bilder sind fiktive Modelle, weil sie eine Wirklichkeit veranschaulichen, die wir weder sehen noch beschreiben können, auf deren Existenz wir aber schließen können.“[1]
Schon beim ersten Pinselstrich und Auftragen der Farbe wird die weiße Fläche des Papiers aufgebrochen und etwas Neues tritt in Erscheinung. Die Farben interagieren mit dem Licht, das auf das Papier trifft und lassen neue Formen und Harmonien entstehen.

Die Energie des Lichts nutzt Maja und malt, was sie selbst spürt, denn die Abstraktion lebt von Gefühlen, die sich im Wechsel miteinander entwickeln. Abstrakte Kunst wirkt auf einer anderen Ebene als gegenständliche Kunst. Sie zeigt nicht was wir sehen sollen, sondern lässt uns fühlen. Ihre psychischen Wirkungen hängen stark vom Betrachter ab. Sie aktiviert unsere Vorstellungskraft, erzeugt Assoziationen, weckt Erinnerungen und löst Emotionen aus. Bedeutungen werden so in der Betrachtung kognitiv selbst erschaffen. Interpretationen sind frei. Abstraktionen können Stimmungen spiegeln oder verändern – je nachdem, in welcher seelischen Verfassung man sich befindet. Unbewusste Inhalte werden in das Gesehene projiziert.
Fazit
Die Kunst von Maja Lilian Krakau schafft es, mit ihrer abstrakten Malerei intensive Emotionen zu wecken. Ihre Werke sind ein Spiel aus Farbe, Licht und Bewegung, ein ästhetisches Erlebnis, das berührt und inspiriert. Wer sich auf ihre Arbeiten einlässt, wird mit einer ganz eigenen, poetischen Sicht auf die Welt belohnt.
Es ist die wunderbare Art Licht in die Farbe einzubinden und widerspiegeln zu lassen, die Majas Arbeiten einzigartig machen. Die Farben und das Licht gehen eine Verbindung ein und interagieren miteinander, geben sich gegenseitig Energie, die deutlich spürbar wird beim Betrachten. Majas Arbeiten strahlen eine Stille aus, die berührt und einfängt, auch wenn ihre Farben kräftig nebeneinander stehen.
Zum Schluss lässt sich festhalten: es ist das angenehm losgelöste und anziehende Gefühl, das die Arbeiten vermitteln, das das Werk so faszinierend macht. Gleichzeitig entstehen Leichtigkeit und Tiefe. Ihre Bilder berühren und streicheln die Seele, ohne dass wir Notiz davon nehmen, erst wenn wir weggehen und den Nachklang, die Inspiration, die Beflügelung spüren, merken wir, wie sehr die Bilder in uns eingedrungen sind. Ähnlich wie das Licht in das Bild.

Maja Lilian Krakau
Foto: Andreas Keil

[1] Gerhard Richter: https://www.gerhard-richter.com/de/quotes/subjects-2/abstract-paintings-7