Cy Twombly im Museum Ludwig in Köln – Crimes of Passion II, 1960, Öl, Kreide & Bleistift auf Leinwand

Betrachtet man Cy Twomblys Malerei, so versteht man sie häufig nicht auf Anhieb, jedenfalls nicht ohne Kenntnisse seines Werks. In seiner Abstraktion ist sein Werk rätselhaft. Der Betrachter ist gezwungen sich eingehender mit Twombly und seiner Kunst zu beschäftigen, um zu verstehen. Doch setzt man sich mit ihm, seinem Leben und dem Wesen seiner Kunst auseinander, wird man schnell feststellen, dass es faszinierend ist, Denn das, was er schuf, hob die Kunst auf eine andere Ebene, Malerei scheinbar entstanden aus spontaner Geste, die dann zu Poesie wird. „Selten einmal ist Malerei so sehr reine, sich selbst genügende Poesie gewesen.“[1]

Im Museum Ludwig hängt nun ein so rätselhaft anmutendes Werk Twomblys, der heute als einer der bedeutendsten Künstler des 20. Jahrhunderts gilt. „Crimes of Passion II“ (Verbrechen aus Leidenschaft) von 1960. Auf den ersten Blick, sieht der Betrachter nur eine Leinwand mit grauem Hintergrund mit „Gekritzel“ und einigen Farbkleksen. Dies war seine Handschrift, dafür war Twombly bekannt. Doch darüber hinaus, besteht sein Werk aus poetischen, sinnlichen, philosophischen und tiefgründigen Gedanken und Bildern mit einer Vielzahl an kunsthistorischen verweisen und Zitaten. „Schwer, so etwas zu beschreiben, man verwickelt sich in die Essenz, in einer Synthese des Fühlens, des Intellekts und anderer Dinge, die sich, ohne voneinander getrennt zu sein, einstellen, wenn man in Aktion tritt.“[2], sagte Twombly selbst. Er wurde zum Liebling der Intellektuellen.

Das hier gezeigte Bild „Crimes of Passion II“ ist ein für Twomblys Handschrift Typisches Werk, heller Untergrund mit Kritzeleien, Zahlen und Schrift vereint mit Farbflecken. Trotz der einfachen Mittel, die er verwendete, trotz der einfachen und simpel anmutenden Zeichen und Darstellungen, zieht es an. Man schaut es sich näher an und entdeckt immer wieder etwas Neues. Vielleicht entsteht gerade durch die simple Struktur diese Faszination. Wie wenig braucht man, um etwas sichtbar zu machen?

Detail: Cy Twombly, „Crimes of Passion II“, 1960, Öl, Kreide und Bleistift auf Leinwand, Museum Ludwig Köln

Twombly selbst galt als rätselhaft, als ein unnahbarer Künstler. Seinen kurzen und prägnanten Namen „Cy“ übernahm er von seinem Vater, der als Profibaseballspieler nach Cy wie Cyclon (englisch Zyklon) benannt wurde.

Er wurde zum Mythos, ähnlich wie seine Bilder, in denen er gerne die griechische und römische Mythologie zitierte. Wenig ist über ihn bekannt, vieles wurde erst nach seinem Tod entdeckt. Er war ein weltabgewandter Künstler und niemand durfte ihn in seinem Schaffen stören oder beobachten. Daneben inszenierte er sich gerne als Südstaaten-Gentleman im weißen Anzug mit Krawatte. So gab er sich ironisch und humorvoll. Naja, und er spielte so mit dem Klischee des Künstlers.

Die Ursprünge seiner Arbeit liegen im Abstrakten Expressionismus. Dieser entstand in der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg. Realistische Darstellungen waren nach der Herrschaft Hitlers und des Kommunismus weitestgehend in allen westlichen Ländern verpönt, da diese mit der Nazikunst oder der Kommunisten Malerei verknüpft wurden. Mit einer totalitären Kunstsprache wollte die Mehrzahl der Künstler nicht in Verbindung gebracht werden. Daraus entstand ein neues Verständnis für Malerei, die keinerlei Form und Figürlichkeit zuließ. Wichtig allein war nun die malerische Geste. Spontanität, Impulsive Malweise und ineinander greifende Linien, Flecken und Flächen waren die Charakteristika des Abstrakten Expressionismus. Traditionen verloren ihren Einfluss und Konventionen wurden negiert. Es war für die bildende Kunst ein Neubeginn, eine Neuorientierung.

Cy Twombly mischte Text- und Schriftfragmente mit gekrakelten Linien, Formen und Farbkleksen auf weißem, grauem oder manchmal auch schwarzem Untergrund. In den 1950ern konzentrierte er sich vermehrt auf das Verhältnis von Zahl und Wort und Zeichnung und Sprache. Twomblys Werk ist trotz der wiederkehrenden Zeichen und Symbole, der eindeutigen Handschrift sehr vielseitig. Seit den 1970ern wurden die Strukturen dann strenger und er begann mit Objekten, meist Fundstücken, zu arbeiten. Diese bemalte er dann in Weiß und schuf so an Marmor erinnernde Skulpturen. Twombly vereint in seinen Arbeiten seinen Stil mit Poesie und intellektuellem Kontext.

„Sein Zeichnen ist Poesie, Reportage, geheime Geste, sexuelle Entspannung, automatische Schrift, Selbstbejahung und -Verneinung.“ [3]

Weniger bekannt war, dass Twombly auch fotografierte. Es waren Momentaufnahmen, die er vergrößerte, so unscharf machte und das Wesentliche in den Mittelpunkt stellte. Das Motiv bekam so eine mystische und nostalgische Nähe und erschuf Intimität. Die Fotografien stehen für sich und sind in keinen direkten Zusammenhang zu seiner Malerei zu bringen. Bei der Fotografie interessierte sich Twombly nicht für die Technik, die Form hatte es ihm angetan. Er begann mit Polaroids und experimentierte mit Druckern im Copyshop. Die Herstellung war simpel, doch der Effekt beeindruckend.

1951 und 1952 studierte er gemeinsam mit Robert Rauschenberg bei Robert Motherwell am bekannten Black Mountain College in North Carolina. Beide teilten sich ein Atelier, dennoch könnten ihre Werke nicht unterschiedlicher sein. Rauschenberg war in der Pop Art zu Hause, vermischte die verschiedensten Alltagsgegenstände zu Installationen und Bildern. Twombly hingegen bearbeitete Leinwände mit Farben, Pinseln und Stiften und schuf so großformatige abstrakte Werke. Kurz vor seinem Tod wurden seine Arbeiten dann kleinformatiger. Durch seine an Graffitisprache erinnernde Malweise, wurde er von Jean-Michel Basquiat bewundert, der sich einiges abzugucken schien.

Detail: Cy Twombly, „Crimes of Passion II“, 1960, Öl, Kreide und Bleistift auf Leinwand, Museum Ludwig Köln

Im Jahr 2011 verstarb Twombly im Alter von 83 Jahren in Rom, wo er seit 1957 lebte, und hinterließ ein umfassendes Werk, in dem er mit Andeutungen und Anzüglichkeiten spielte und das durch seine Farbenpracht und Monumentalität hervorstach. Seine Arbeiten sind eine stille Magie. Die Ironie trifft auf das Vulgäre, die Mythologie trifft auf das Gegenwärtige. Doch alles verband Twombly durch die Schönheit, die er so liebte.

„Twombly hat das genossen. Das alles: Sein Leben, seine Kunst, das war immer die ganz große Oper“.[4]

 

 

 

 

[1] Hans-Joachim Müller in „Ein Nachruf auf den großen Maler Cy Twombly“, 7.7.2011, https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article13473029/Ein-Nachruf-auf-den-grossen-Maler-Cy-Twombly.html

[2] Cy Twombly in Hans-Joachim Müller in „Ein Nachruf auf den großen Maler Cy Twombly“, 7.7.2011, https://www.welt.de/print/die_welt/kultur/article13473029/Ein-Nachruf-auf-den-grossen-Maler-Cy-Twombly.html

[3]  Pierre Restany, französischer Kritiker, 1966 in Hans-Joachim Müller in „Ein Nachruf auf den großen Maler Cy Twombly“, 7.7.2011, www.welt.de

[4] Lothar Schirmer, Münchner Verleger und Sammler, der Twombly persönlich kannte, in: Art-Magazin, Januar 2017, „Poesie“ von Tanja Beuthien

 

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